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Von Turm zu Turm und
so weit das Auge reicht

Optische Telegraphie der Preußen vor 175. Geburtstag

Von Karl Pickhardt
Kreis Paderborn/Altenbeken (WV). Mitten durch das Paderborner Land jagte der preußische König innerhalb von 40 Minuten eine Nachricht von Berlin nach Koblenz. Er besaß kein Telefon, kein Internet, keinen Strom: Die Botschaft wurde 600 Kilometer weit über 61 Signalmasten im Handbetrieb transportiert. Fünf solcher »Nachrichten-Türme« reihten sich im Kreis Paderborn in diese Kette der optischen Telegraphenlinie ein.

Heimat- und Geschichtsfreunde um Vize-Kreisheimatpfleger Rudolf Koch (70) aus Altenbeken wollen diese 1833 in Betrieb genommene Nachrichtenkette zum 175. Geburtstag im Jahr 2008 ins Bewusstsein rücken. Mit Stationen auf dem Rehberg in Altenbeken, auf dem Brocksberg in Schwaney, am Busch in Dörenhagen, auf dem Sintfeld in Helmern sowie in der Brenkener Mark in Haaren füllten fünf Telegraphenstationen mit den Nummern 33 bis 37 die Lücke zwischen Rüthen im Westen und Oeynhausen bei Nieheim im Osten.
In einer von Koch einberufenen Tagung in Buke wagten sich jetzt Heimatkundler aus den betroffenen Orten an die Gestaltung des 175. Geburtstages der Telegraphenlinie heran. Heimatfreunde im Nachbarkreis Höxter im Altenbekener Nachbarort Oeynhausen sind um Klara Heinemann schon einen deutlichen Schritt weiter: Sie haben sogar ihre Station längst wieder aufgebaut und planen zum Jubiläum etliche Aktionen. Dazu zählt auch eine Ausstellung in der Telegraphenstation Oeynhausen mit Uniformen der Telegrapen-Beamten aus preußischer Zeit.
Im Kreis Paderborn sind sämtliche fünf Stationen allenfalls noch als Bodenspuren, in Altenbeken als Gedenkstein zu erkennen. Gleichwohl soll etwa zum »Tag des Denkmals« am zweiten September-Sonntag in 2008 die optische Telegraphenlinie im Paderborner Land hervorgehoben werden. Dies kann durch Hinweistafeln, Flyer, Internetauftritt und weitere Aktionen geschehen. Auch das Heinz-Nixdorf-Forum in Paderborn, das schon heute in einer Dauerausstellung die Nachrichtentechnik der preußischen Telegraphenlinie würdigt, könne eingebunden werden. Heimatfreunde um Rudolf Koch setzen auch auf Unterstützung aus dem Paderborner Kreishaus sowie den Eggegebirgsverein. Die deutschlandweit einzigartige Telegraphenlinie, die zwischen 1833 bis 1849 im Königreich Preußen kodierte Nachrichten von Turm zu Turm übermittelte, sei schließlich auch eine touristische Besonderheit.
Professor Hans Walter Wichert (69) aus Altenbeken würdigte als langjähriger Dozent für Nachrichtentechnik an der Universität Paderborn die optische Telegraphie als Urzelle der heutigen Nachrichtenübermittlung. Mit den sechs Flügeln jedes Turms konnten insgesamt 4096 (!) Zeichen übermittelt werden. Späh- und Kurbeltelegraphisten beobachteten die Flügelstellung der Nachbartürme, kopierten die Flügelanordnung und reichten so Botschaften weiter. Die Nachrichtenübermittlung basierte auf dem System »So weit das Auge reicht«. Nachts schlief das »preußische Telefon«. Die königlichen Beamten kannten übrigens nicht den Inhalt der verschlüsselten Nachrichten. In Frankreich wurde die optische Telegraphie schon im 18. Jahrhundert genutzt.
Die Weitergabe der Botschaften funktionierte auf diese Art allerdings nur bei Tageslicht. Dieser Technik war in Preußen daher auch nur ein 16-jähriges Leben bis 1849 gegönnt: Neue elektrische Übermittlungsmöglichkeiten bei Tag und Nacht lösten die personalaufwändige optische Telegraphie ab. Die Nachrichtentürme verschwanden bald aus der Paderborner Landschaft. Einige Telegrapfenstationen wurden abgetragen und als Wohnhäuser andernorts aufgebaut. In Haaren erinnert das »Forsthaus Telegraf« noch an die alte Nachrichtenstation aus dem preußischen Königsreich. Hier und dort drehen sich Windkraftanlagen an der Stätte einstiger Stationen.

Artikel vom 17.02.2006