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»Schon fast
bayrische
Zustände«

Scharfe Auslese im Gymnasium

Harsewinkel (jaf). Die Statistik zum Sprechen brachte Dr. Ernst Rösner von der Universität Dortmund während der Schulausschusssitzung. Zusammen mit der Stadt entwickelte der Berater einen neuen Schulentwicklungsplan, der sicherlich so manche Überraschung für die Politiker bereithielt.

Dabei stach die im NRW-Vergleich positive Geburtenziffer Harsewinkels ebenso hervor wie die für den Dortmunder Experten negative Tatsache, dass in Harsewinkel überproportional viele Schüler die Hauptschulbank drücken. Nicht zu vergessen: Die im NRW-Vergleich erschreckend geringe Anzahl an Gymnasiasten. »Da muss man sich hier in der Stadt die Frage stellen, wie man es schafft, Kinder in die anspruchsvolleren Bildungsgänge zu bekommen«, stellte Dr. Ernst Rösner in den Raum, der den Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule in Harsewinkel als »bedenklich« einstufte. Und er untermauerte dies mit Zahlen: Von 2002 bis 2005 wählten 31,5 Prozent die Hauptschule, 37,3 Prozent die Realschule und 26,3 Prozent das Gymnasium. Zum Landesvergleich: 17,7 (Hauptschule), 28,3 (Realschule) und 36,3 Prozent (Gymnasium).
»Hier besuchen doppelt so viele Kinder die Hauptschule als im Landesdurchschnitt«, sieht der Experte Nachholbedarf. Denn: »Je besser der Schulabschluss, desto besser die Berufschancen«. Irritiert von dieser Auffassung über die Hauptschule zeigte sich Karin Kirchner (SPD): »Diesem Plädoyer gegen die Hauptschule kann ich nicht folgen, dort wird gute Arbeit geleistet«. So wolle er es nicht verstanden wissen, machte Dr. Ernst Rösner deutlich. Ob dies an der Sozialstruktur liege?, wollte Johannes Sieweke (UWG) wissen. Davon geht der Experte nicht aus.
Aber woran liegt es dann? Hauptschulleiter Hecker muss es wissen: »Viele Eltern, die damals bei uns waren, schicken ihre Kinder auch zur Hauptschule. Und wenn die Kinder einen handwerklichen Beruf erlernen wollen, dann bietet sich das auch an«. Hecker hält den Weg nicht für sinnvoll, das Kind unbedingt aufs Gymnasium oder die Realschule schicken zu wollen. »Viele sind dort einfach nicht richtig aufgehoben und kreuzunglücklich«, weiß Hecker.
Der Wert für das Gymnasium liegt zehn Prozentpunkte unter dem Vergleichswert des Landes. Auffällig ist hier auch die hohe Anzahl der Schüler, die das Gymnasium nach der zehnten Jahrgangsstufe verlassen. »Das Gymnasium verliert zu viele Schüler, während im Landesdurchschnitt die Gymnasien vom Übergang der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II Schüler hinzu gewinnen«, so Dr. Rösner. Und weiter: »Die Durchgangsquote ist bedenklich. Hier scheint eine schärfere Auslesepraxis zu gelten als im restlichen NRW. Das erinnert mich schon fast an bayrische Zustände, wo bis zum Abitur ein Verlust von 36 Prozent der Schüler verzeichnet wird, in Harsewinkel sind das ungefähr 30 Prozent«. Dieter Berheide (CDU) sah gerade dies als positiv an: »Wenn der Anspruch einer Schule hoch ist, dann ist das doch erfreulich«.

Artikel vom 16.02.2006