15.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bergertor vor Versteigerung

Traditionsreiche Gaststätte wird im Juni beim Amtsgericht aufgerufen

Von Gerold Brinkmann
Herford (HK). Die traditionsreiche Gaststätte Bergertor an der Salzufler Straße 2 soll am 30. Juni vor dem Amtsgericht versteigert werden. Der Verkehrswert wird in einem Gutachten auf 500 000 Euro festgelegt.

Üblicherweise sollen sieben Zehntel des Verkehrswertes geboten werden, mindestens aber 50 Prozent. Gutachterin ist die Kauffrau Sabine Seeger-Glaser. Sollte es bei dem Termin bleiben, würden die Gaststätte mit drei Kegelbahnen und ein angrenzendes Wohnhaus mit 130 Quadratmetern Wohnfläche aufgerufen. Das Grundstück unmittelbar am Werrewehr ist 4 623 Quadratmeter groß. Dazu gehören ein Biergarten mit 40 Plätzen und ein Parkplatz.
Angesichts der exponierten Lage hat sich die Stadt ein Mitspracherecht bei der Gestaltung gesichert. Zuletzt war darüber spekuliert worden, ob am Bergertor ein Hotel gebaut würde. Auch eine Seniorenwohnanlage war im Gespräch. Dem Bauausschuss wurden Projekte vorgelegt, die jedoch nicht realisiert werden konnten.
Das Gasthaus Bergertor kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Es war 1892 als »Badeanstalt Overbeck« gebaut worden. Die Geschwister Overbeck bewirtschafteten das Haus bis zum Zweiten Weltkrieg. 1949 übernahmen Günther und Densilla (»Tilla«) Niemeier das Haus. Es wurde Treffpunkt aller Schichten der Herforder Gesellschaft. Mehr als 80 Kegelclubs, unter ihnen der berühmte »Kranz«, schoben auf den Kegelbahnen eine flotte Kugel. Besonders Tilla Niemeier, eine gebürtige Italienerin, wusste mit ihren Nudelgerichten die Stammgäste zu begeistern.
1990 übernahm Heinz-Dieter Niemeier von Vater Günther die Gaststätte. Auch er kochte gern, ebenfalls Nudel- und Kartoffelgerichte. So hieß die Gaststätte zuletzt »Knolle&Company«.
Doch die Probleme der Gastronomie gingen auch am Bergertor nicht vorbei. Im Jahr 2000 wurde das Gasthaus geschlossen.
Laut Gutachten ist die Immobilie inzwischen in einem »vernachlässigten Zustand«. Die Fenster sind »abgängig«, es besteht ein hoher Investitionsstau.
Wollte jemand den Betrieb weiterführen, so unterstellt die Gutachterin, dass ein Betreiber 3 000 Euro pro Stuhl und Jahr an Umsatz erzielen könnte. Die Gaststätte hielt 90 Stühle vor. Der kalkulatorische Gesamtumsatz wird mit 300 000 Euro angegeben. An Pacht könnten 24 000 Euro erhoben werden. Doch das sind nur Zahlen.
Der Gesamteindruck spricht gegen einen Weiterbetrieb. Vorausschauend beziffert die Gutachterin deshalb die Abbruchkosten auf 55 000 Euro.
Für die Stadt muss es darum gehen, an so exponierter Stelle einen angemessenen Baukörper entstehen zu sehen. Dem Projekt einer Seniorenwohnanlage, wenn es sich denn architektonisch einfügt - das war bei ersten Entwürfen nicht der Fall - wird sich die Politik sicher nicht verschließen.

Artikel vom 15.02.2006