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»Dieser Konflikt wurde inszeniert«

Diskussion über Karikaturen-Streit - Absage von »Mafia-Jäger«

Von Bernd Bexte (Text und Foto)
Herford (WB). Auf dem Weg nach Sizilien machten die Veranstalter von MARTa am Samstag einen Umweg durch die arabischen Länder. Da der berühmte »Mafia-Jäger« Leoluca Orlando seinen Vortrag zum Auftakt des »Sizilianischen Abends« aus familiären Gründen hatte absagen müssen, war kurzfristig eine Diskussion zum aktuellen Karikaturen-Streit anberaumt worden.

Neben Islam-Wissenschaftlern und Vertretern muslimischer Glaubensgemeinschaften saß mit dem ZDF-Journalisten Ulrich Kienzle auch einer der bekanntesten Islam-Experten auf dem Podium im voll besetzen MARTa-Forum. Er machte unmissverständlich deutlich, was von der interkulturellen Auseinandersetzung zu halten sei: »Das ist ein bewusst inszenierter Skandal. Das hat mit Pressefreiheit nichts zu tun. Ein Provinzblatt, die ÝJyllands-PostenÜ, hat eine Weltkrise ausgelöst. Das Schreckliche daran ist, das einige Moslems mit ihren Reaktionen die Vorurteile gegen sie bestätigen.« Sie seien von radikalen Islamisten manipuliert und instrumentalisiert worden.
Hinter der Haltung der dänischen Zeitung stehe die Haltung »Raus mit den Moslems«. Dabei sollte doch reflektiert werden, wie groß die vermeintliche Bedrohung durch den Islam tatsächlich sei. »Es gibt keine islamische Besatzungsarmee in Europa. Allerdings stehen westliche Truppen im Irak, Afghanistan und anderswo.«
Die muslimischen Vertreter, der Theologe und Imam Dr. Ismail Altintas und der Vorsitzende der Glaubensgemeinschaft Jaama'at un-Nur, Rüstem Ülker, beide aus Köln, betonten die Ablehnung jeglicher Gewalt in der Auseinandersetzung. Mit den Karikaturen sei jedoch die Heiligkeit des Propheten angegriffen worden. Das verletze die gläubigen Muslime in ihrer Würde. »Wenn dasselbe mit den von uns ebenfalls als Propheten geachteten Moses oder Jesus passiert wäre, hätte es auch Proteste gegeben«, erklärten sie übereinstimmend.
Prof. Dr. Stefan Leder von der Uni Hallen-Wittenberg charakterisierte den Streit als Konflikt einer zusammenwachsenden, globalisierten Welt, in der selbst Veröffentlichungen in regionalen Publikationen weltweit Beachtung finden könnten. »Wir können für unsere westliche Weltauffassung werben. Wir können unsere Säkularität aber nicht mehr als gegeben voraussetzen.«
MARTa-Direktor Jan Hoet hob die Bedeutung der Kunstform Karikatur hervor. »Die Karikatur war schon immer eine Waffe.« Gerade in Dänemark habe sie im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern eine lange Tradition. Trifft diese auf eine Kultur, in der das Bilderverbot die Darstellung Mohammeds verbietet, ist der Konflikt programmiert.
Nach der Diskussion sorgte Etta Scollo für den musikalischen Höhepunkt und Ausklang.

Artikel vom 15.02.2006