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Von Karl Pickhardt

Paderborner
Perspektiven

Das Getriebe sandfrei halten


Schlechte Botschaften ernähren sich von selbst, gute brauchen ständig neue Nahrung. Diese alte Journalisten-Weisheit beleben offenbar auch Politik und Wirtschaft neu, wenn sie ein jahrzehntealtes Dauerthema in und um Paderborn in den Fokus rücken: Wirtschaftsförderung heißt das Zauberwort. In angespannten Zeiten mit zuletzt gemeldeten 16 700 Erwerbslosen im Kreis Paderborn muss jedes Gewerbepflänzchen sorgsam gehegt werden.
Als viel zu schwerfällig und kompliziert hat sich ein Service-Büro erwiesen, das zwischen 1996 und 2002 im Glasgebäude der Industrie- und Handelskammer (IHK) im Stedener Feld angesiedelt war. Das von IHK, Kreishandwerkerschaft und dem Kreis betriebene Service-Büro ist gescheitert und hat kaum Impulse für eine Wirtschaftsförderung gesetzt. Der doppelte Unterbau auf der einen Seite mit damaligen Stadt- und Oberkreisdirektoren und der Unternehmerseite auf der anderen Seite entpuppte sich in der Praxis eher als lauwarme Suppe. Einer gut gemeinte Theorie ist halt nur eine Seite der Medaille.
Ernst gemeinte Wirtschaftsförderung wurde im Paderborner Land in diesen Jahren verstärkt zur Chefsache in den lokalen Rathäusern oder in der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Paderborn, bei Uniconsult in der Hochschule oder auch in der heimischen Bankenlandschaft. Ohnehin glauben nur Phantasten, dass sich Kommunen in ihrer Planungshoheit das Instrument der Wirtschaftsförderung aus der Hand nehmen ließen. Schließlich ist jedem Bürgermeister das eigene Hemd näher als der Rock des Nachbarn. Noch heute reiben sich Rathaus-Fürsten die Hände, wenn ein Pflänzchen aus Nachbars Garten in die eigene Gewerbesteuer-Scholle versetzt werden kann. So siedelte nach nur kurzer Dauer ein Unternehmen der IT-Branche aus dem jungen Bürener Gewerbepark am Flughafen ins Salzkottener Industriegebiet über.
Eine kreisweite Wirtschaftsförderung kann allenfalls flankierende Maßnahmen bieten. So sind nach Auflösung des Service-Büros auch von der neuen Anlaufstelle im IHK-Gebäude keine wirtschaftspolitischen Wunder zu erwarten. Wieder einmal haben Kreishandwerkerschaft und IHK zusammen mit dem Kreis eine Kooperation beschlossen, um über das »Wirtschaftsförderungsnetzwerk« des Kreises Paderborn parallel zu den zehn Kommunen am Rad zu drehen. Im Gegensatz zum Service-Büro sind die Strukturen diesmal deutlich schlanker. Mit Peter Gödde von der Kreishandwerkerschaft, Hans Dransfeld von der IHK und Claudia Beverungen aus der Kreisverwaltung fallen keine zusätzlichen Personalkosten an. Startkosten von 5000 Euro für technische Ausrüstungen (Internet) und angebliche jährliche Betriebskosten von schmalen 350 Euro können keine Berge versetzen. Vorsichtig haben die drei Vertragspartner den Neuanfang zunächst einmal auf den 31. Dezember 2006 terminiert, um jedes Jahr neu über einjährige Verlängerungen zu entscheiden.
In dieser Woche schaltete Landrat Manfred Müller den Internetauftritt des jungen Wirtschaftsförderungsnetzwerkes, das ohne hemmende Unterbauten tätig sein darf, frei. »Wir beschränken uns auf das Wesentliche«, dämpft der Landrat überzogene Erwartungen. Als Kooperationspartner der Kommunen, Uniconsult oder der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Paderborn soll das Netzwerk in erster Linie Sand aus dem Getriebe räumen, wenn bürokratische Hürden Bestandspflege, Erweiterungen, Existenzgründungen oder gar Neuansiedlungen erschweren. Dass so was geht, beweist das durchaus erfolgreiche Landrat-Programm »100 pro«: Zwischen Bauantrag und Genehmigung sollen im Paderborner Kreishaus nicht mehr als 40 Arbeitstage liegen. Das ist effektiver, als sich in Pressekonferenzen für neu installierte Rauchmelder in Amtsstuben des Rathauses in Szene zu setzen (wie jetzt in Lichtenau).
»Vorfahrt für Arbeitsplätze« fällt nun einmal nicht vom Himmel.

Artikel vom 11.02.2006