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Die Leichtigkeit des Jazz

Larry Coryell - ein brillanter und unwiderstehlicher Solist

Gütersloh (WB). Zum Auftakt der Jazzreihe 2006 präsentierte Josef Honcia am Samstagabend im beinahe schon traditionell überfüllten ehemaligen Jugendzentrum ein waschechtes Fusion-Trio.

Mit dabei: Gitarrist Larry Coryell, der nach Aussage des deutschen Jazzpapstes Joachim Ernst Behrendt bereits Jazz-Rock spielte, als noch niemand sonst dieses Wort kannte, dazu den ehemaligen Wheater Report Bassisten Victor Bailey und Lenny White am Schlagzeug, der sich in der Vergangenheit durch Miles Davis' »Bitches Brew« und sein Mitwirken bei Chick Coreas »Return To Forever« um die Fusion-Musik verdient gemacht hatte.
Doch das Trio beschränkte sich an diesem Abend beileibe nicht allein auf den Jazz-Rock, was angesichts der genreübergreifenden Meisterschaft des hoch talentierten Larry Coryell auch gewiss nicht angemessen gewesen wäre. Jazz-Publizist Ian Carr bezeichnet den Gitarristen nicht ohne Grund als »einen der beständig interessantesten Musiker - ein brillanter und unwiderstehlicher Solist mit einer überragenden Technik und der Fähigkeit, angenehm zu überraschen«. Man weiß bei Coryell also nie, was er als nächstes spielen wird, da er aus einem riesigen Repertoire an technischen Fähigkeiten und Musikstilen schöpfen kann und an diesem Abend zudem ein Rhythmus-Duo an seiner Seite wusste, dass jeden Ausflug in die benachbarten Genres allzu gerne mitgehen würde.
So folgte der wohl am ehesten dem Jazz zuzuordnenden, leider namenlos gebliebenen Eröffnung, bei der Coryell sein Publikum mit dem bekannt satten Sound seiner elektrischen Gitarre vertraut machte, das groovende »Lowblow« von Victor Bailey, vorangetrieben nicht nur vom E-Bass, sondern vor allem vom perkussiven Gesang des vielseitigen Bassisten. Schließlich wurde gerockt, aber richtig, mit »Black Dog« von Led Zeppelin. Hier konnte das Trio zum ersten Mal an diesem Abend so richtig die »Sau rauslassen«, aber nicht ohne das betagte Stück dabei ganz nebenbei mit einem feinen Fusion-Anstrich zu veredeln.
Der Schlussakkord war kaum verklungen, da kündigte sich auch schon der nächste Kontrapunkt an: Coryell griff zur akustischen Gitarre und offenbarte bei seiner Solo-Version des Gershwin-Standards »Our Love Is Here To Stay« neben dem deutlich vernehmbaren Einfluss der Folk-Ikone Chet Atkins auch jene excellente Technik, die ihn in den 80er Jahren dazu befähigte, einige Klassik-Alben aufzunehmen. Unbedingt erwähnenswert auch ein weiteres, akustisch vorgetragenes Solo-Stück Coryells, in dem er mit großer Sensibilität über den Beatles-Klassiker »SheÕs Leaving Home« improvisierte.
Zum Abschluss gab es, dem Vernehmen nach auf Wunsch des Veranstalters, noch einen Blues. Damit hatte dieses heiße Trio in den vergangenen zwei Stunden so ziemlich alle dem Jazz nahe stehenden Musikstile durchexerziert, ohne dabei auch nur für eine Sekunde bemüht zu wirken. Respekt.Collin Klostermeier

Artikel vom 13.02.2006