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Beide Interpreten machten
die Ausdruckskraft spürbar

Sebastian Foron und Julia Bartha im Nachtkonzert

Halle (mas). Die Romantiker und Barockkünstler unter den jüdischen Komponisten waren eher von traditionellen Einflüssen bewegt. Die Aufführungen im Rahmen der Haller Bachtage erweiterten sich am Donnerstag su später Stunde um eine Darbietung eher moderner Musik.

Unter dem Thema »Verzweiflung und künstlerischer Aufbruch im Ghetto« setzten sich mit Sebastian Foron und Julia Bartha zwei junge Künstler mit Musikerschicksalen aus der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Und viele Zuhörer kamen zu dieser späten Stunde des Nachtkonzertes in der Johanniskirche zusammen.
Eher experimenteller Natur sind die Stücke der vier vorgestellten jüdischen Komponisten und Musiker, zum Teil geprägt von modernen Einflüssen durch die künstlerischen Strömungen im letzten Jahrhundert. In allen diesen Werken zeigt sich ungebrochener Lebenswille, große Ausdruckskraft spiegelt das innere Erleben, die Auseinandersetzung mit den Schrecken des Dritten Reiches, wider.
Mit Karl Weigl (1881-1949) eröffneten Sebastian Foron (Violoncello) und Julia Bartha (Klavier) das Nachtkonzert. Den beiden jungen Nachwuchsmusikern wurde die Liebe zur Musik praktisch in die Wiege gelegt. Ihre Vorliebe für zeitgenössische Werke ist an der Inbrunst spürbar, mit der sie Weigls Sonate für Violoncello und Klavier umsetzen. Der in die USA emigrierte Musikwissenschaftler Weigl war eher in alten Musiktraditionen verhaftet, spürbar im zuweilen lebhaft schwungvollen, vollblütigen, dann wieder heiter belebten oder getragenen Stil.
Unter welch unhaltbaren Bedingungen der österreichisch-ungarische Komponist Viktor Ullmann (1898-1944) komponiert haben muss, zeigt das Lied Nr. 1 aus seinen in Theresienstadt entstandenen »Fünf Liebesliedern« und die »Abendphantasie« aus »Gesänge nach Gedichten von Friedrich Hölderlin«. In der musikalischen Umsetzung der von Julia Bartha gesprochenen Gedichte werden angstvolle, wütende und verzweifelte innere Bilder in dissonanten Harmonien deutlich. Auch Cellist Sebastian Foron scheint die Emotionen bei seinem Spiel ein- und auszuatmen.
Die Sonata Brevis des Tschechen Karel Reiner (1910-1979) weist Parallelen zum Werk seines Freundes Ullmann auf - in zuweilen dissonanten Akkorden. Cello und Klavier »sprechen« miteinander und scheinen sich zuweilen in sich selbst zu verlieren. Sie scheinen keinem Takt untergeordnet zu sein und die beiden Künstler beenden auf den Punkt genau ihr gemeinsames Spiel, wie um in der aufmerksamen Stille den Zuhörern Raum zum Nachspüren zu geben.
Die Sonate für Violoncello und Klavier des in Prag geborenen Erwin Schulhoff (1894-1942) beendete dieses eineinhalbstündige besondere Hörerlebnis. Die »Lust an der Parodie« (Julia Bartha) ist diesem spielerischem Stück anzuhören, das in mal expressionistisch-schwärmerischen, mal in beschwingt-natürlichen Sätzen von modernen Jazzformen beeinflusst ist.
Mit einer kleinen Zugabe, der jüdischen Volksweise »Prayer« von Ernest Bloch, verabschiedeten sich die beiden jungen Talente von einem dankbaren Publikum, das mit Beifall nicht sparte.

Artikel vom 11.02.2006