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Ein Stockwerk kommt hinzu: Montag wird die Baustelle eingerichtet.

Ein Ausflug für anderthalb Jahre

80 Senioren blicken mit gemischten Gefühlen auf neue Bleibe - Generalstabsarbeit

Von Reinhard Kehmeier
(Text und Fotos)
Löhne-Gohfeld (LZ). Wer kann, hat heute den Ausflug zum Steinhuder Meer gebucht. Ein ruhiger Tag in winterlicher Natur ist allemal schöner als nervenaufreibender Umzugs-Stress. 80 Senioren haben vorerst zum letzten Mal in der gewohnten Umgebung in Gohfeld übernachtet - das Haus soll saniert werden. Für viele der Hochbetagten beginnt ein neuer Lebensabschnitt auf Zeit, nicht weit entfernt im Haus Berolina, einer ehemaligen Kurklinik.

Wer noch nicht auf den Rollator angewiesen ist oder gar den Rollstuhl, könnte, wenn er noch gut zu Fuß ist, die Strecke von der Nordbahn bis an den Osterbach mit einem längeren Spaziergang zurücklegen. Doch für viele ist der Umzug von ihrem angestammten Platz zur neuen Adresse im Kurviertel ein großes Wagnis, ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Davor schrecken sie zurück. Und immerhin soll der Ausflug anderthalb Jahre dauern. Das kann eine ungeheuer lange Zeit sein, wenn man über 90 ist oder auch erst 80, so wie Elisabeth Oelgeschläger. Die Dame im Rollstuhl ist ungehalten über die Unordnung in ihrem Zimmer im zweiten Stock und die ganzen Umstände und alles, was da auf sie zukommen mag. »Ich wäre viel lieber hiergeblieben«, schimpft sie, während ihre Schwiegertochter Marion Wäsche in den Koffer legt, den gerade ihre Schwägerin Heidrun ins Zimmer gereicht hat. Sie ist hier selbst beschäftigt, eine von 139 Mitarbeitern. Die beiden jüngeren Frauen muntern ihre Schwiegermutter auf: »Das wird alles viel schöner hier, bald hast Du sogar ein neues Badezimmer.« Nun muss Marion Oelgeschläger wieder anfassen und aufräumen: »Die Schränke müssen leer sein.«
Die Bewohner sind aufgeregt an diesem Tag, wo sich soviele Kartons in den Ecken stapeln und schon die ersten Betten herausgeschoben werden. Ob das klappt mit dem Schlafen und mit den Essenszeiten? Es ist eine gewaltige logistische Herausforderung, der sich Alexander Thiele und seine Mitarbeiter heute stellen, wenn 80 Bewohner, viele bettlägerig, umziehen. Mit Hilfe des Roten Kreuzes, das mit zehn Rettungsfahrzeugen anrückt und seine Leitstelle an der Volksbank in Gohfeld aufschlägt, soll das Vorhaben gelingen. Generalstabsarbeit wird seit Wochen im Haus geleistet. Als erstes haben Mitarbeiter der Verwaltung im Berolina der Lielje-Gruppe Quartier genommen. Die Heimaufsicht hatte für das Projekt grünes Licht gegeben. Es ermöglicht nach umfangreichen Modellberechnungen, die Bauzeit für die notwendige Sanierung des 30 Jahre alten Heims an der Nordbahnstraße von 32 auf 18 Monate zu verkürzen, wie Alexander Thiele, Verwaltungschef des 160-Betten-Hauses erklärt. 80 schwerstpflegebedürftige Menschen werden weiterhin im St.-Laurentius-Haus betreut. Ihnen soll der Umzug nicht zugemutet werden.
Die Bauzeit könne auf zwei Phasen verringert werden, sagt Thiele. Die Alternative, Container aufzustellen zur vorübergehenden Unterbringung der Bewohner, wurde verworfen. Auch die Schließung von 50 Betten und Unterbringung in anderen Einrichtungen, was die Entlassung von 40 Prozent des Personals bedeutet hätte. Jetzt können alle bleiben, trotz vorübergehender Unannehmlichkeiten. Das »Laurentius« soll auf den neuesten Stand gebracht werden: nur noch mit Einzelzimmern gehobener Ausstattung, die jetzt 60 Prozent ausmachen. »Die Nachfrage ist vehement«, weiß Thiele.
Der Umzug ist nur dank Mithilfe 60 ehrenamtlicher Helfer unter anderem aus den katholischen, evangelischen und neuapostolischen Gemeinden und ehemaliger Mitarbeiter möglich.
Der Ausflug nach Steinhude entlastet auch den Bienenstock, den das Heim an der Nordbahnstraße am heutigen Samstag darstellen wird. 33 Bewohner haben sich auf Anraten nach Hause abgemeldet, zu ihren Angehörigen.

Artikel vom 11.02.2006