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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (156. Folge):Elsener keilten sich mit Husaren


Der 15 500 Einwohner zählende Paderborner Stadtteil Elsen entwickelt sich neben Delbrück, Fürstenberg und Scharmede zur vierten Karnevalshochburg im Kreis Paderborn. Vorbereitet werden hier ein Gala-Abend, der Frauen-Karneval und die Weiberfastnacht, ein Bütten-Abend und der Kinder-Karneval. Großer Saal und angrenzende Räume des Bürgerhauses bieten sich dafür an. Aber nicht immer wurde in Elsen so tüchtig an den drei tollen Tagen gefeiert.
Leser Jochen Schmidtke meinte, in Elsen hätte es ein 100-jähriges Karnevalsverbot gegeben. Bei einer Messerstecherei anlässlich einer Karnevalsfeier seien im 19. Jahrhundert drei junge Burschen getötet worden. Der Bischof habe darauf den Elsenern als Buße ein hundertjähriges Karnevalsverbot auferlegt. Die hätten sich daran gehalten und erst in der 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder über Fastnacht gefeiert.
Ehren-Landrat Joseph Köhler, seit 1946 Elsener Bürger und vorher der »Junge vom Ikenberg« im nördlichen Schatten des Domes, erläuterte: »Ab 1949 wurde von den Turanern und der Kolpingsfamilie in Elsen mit geselligem Beisammensein und lustigen Sketchen Karneval begangen, aber immer zwei Wochen vor dem Fastnachttermin. Dafür kamen die Elsener, jung und alt, über Karneval zum vierzigstündigen Gebet in der Pfarrkirche zusammen.«
Dieses vierzigstündige Gebet wurde im Februar 1854 eingeführt. In der Chronik der Gemeinde Elsen, übertragen für den Heimat- und Verkehrsverein von Adolf Markus, ist unter dem Februar 1854 zu lesen: »Um den vorher so verderblichen drei Tagen und drei Nächten und darüber hinaus dauernden Fastnacht-Lustbarkeiten einmal nachhaltig entgegen zu wirken, ist mit bischöflicher Genehmigung für die Fastnachtstage in hiesiger Pfarrkirche das vierzigstündige Gebet für immerwährende Zeiten eingeführt. Es fand freundlichen Anklang und allgemeine Teilnahme».
Also keine durch den Bischof auferlegte Buße, keine drei Toten. Es muss zurückgeblättert werden in der Ortschronik, bis zum Mai 1847. Da ist der Ursprunge zu entdecken: »Am Abend des Pfingstmontags entstand beim Wirt Lengeling bei der Tanzerei eine furchtbare Schlägerei zwischen 20 Ulanen von Neuhaus und den Elsener Burschen. Es sind mehrere auf beiden Seiten, besonders aber unter den Soldaten, nicht unbedeutend verwundet worden.«
Es gibt in der Chronik mehrere Hinweise auf die Trunksucht einiger Elsener vor gut 150 Jahren. Im Oktober 1841 war ein Kornhändler mit einem von sechs Eseln gezogenen Gefährt »im Zustande der Trunkenheit« durch Elsen gefahren. Die Esel hatten sich verlaufen, und der Trinker endete auf freiem Feld bei nasser und kalter Witterung an Erstarrung.«
Am 18. Dezember des gleichen Jahres starb »beim übermäßigen Branntweintrinken« im Elsener Holz ein Tagelöhner aus Sande. In der Chronik wird vermerkt: »Er blieb beim Branntweintrinken auf der Stelle liegen. Das müßte wohl ein Beispiel anderen Säufern sein«. Im April 1843 musste ein Trunkenbold unter dem damals 1105 Elsenern nach Benninghausen bei Lippstadt »abgeführt« werden. Zu diesem »Säuferwahnsinn« meint der Chronist: »Er ist ein schreckliches Beispiel, wie mit dem übermäßigen Genuss geistiger Getränke die Menschen entwürdigend und tief unter dem Vieh wirken.«
Bis 1967, bestätigt Heimatfreund und Archivar Rolf-Dietrich Müller, blieb es beim vierzigstündigen Gebet und der Karnevalsabstinenz. Pfarrer Heinrich Mentrop, Elsener Ehrenbürger, hob den frommen Brauch angesichts der in alle Richtung flüchtigen Elsener Freunde toller Tage auf. Sein Nachfolger Bernhard Kämpchen führte dafür 1968 drei Gebetsstunden über Karneval ein. So ist`s bis heute!
Seit der »Pfingst-Keilerei« 1847 Elsener Burschen mit Neuhäuser Ulanen ist nachbarliche Distanz geblieben. Vor der Gebietsreform zum 1.1. 1975 erklärten Elsener: »Lieber nackt nach Paderborn als im Sonntagsanzug nach Neuhaus«!Georg Vockel

Artikel vom 08.02.2006