06.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Herzogin von Chicago« wieder belebt

Bühnenfassung des Landestheaters Detmold - am wenigsten verstaubt wirkte die Musik

Herford (HK). Es ist verdienstvoll, wenn ein Theater verschollenes Kulturgut aus der Versenkung holt und - vom Staub vergangener Zeiten befreit - dem Publikum neu präsentiert. Die Operette »Herzogin von Chicago« von Emmerich Kálmán war ein solches Beispiel. Im Stadttheater Herford aufgeführt in der »Bühnenfassung des Landestheaters Detmold« - wie es im Programmheft hieß, das in ungewohntem Handtäschchenformat speziell für ältere Besucher leserunfreundlich war.

Als das Vorspiel erklang, hätte man auch auf »Die Zirkusprinzessin« schließen können, so sehr schepperte das Blech aus dem Orchestergraben. Aber Kálmán ist eben nicht Johann Strauß oder Franz Léhar. Doch die Überraschung stand noch bevor: Das war der Chor der Ungeborenen, angeführt vom »Kind« des künftigen Happy End-Paars, das gewissermaßen seine künftigen Eltern durch alle Handlungswirren, die eine Operette nun einmal bietet, steuert. Das mag ja als Eingangsgag ganz einfallsreich wirken, doch warum musste auch noch unsägliche Aufklärung à la Oswalt Kolle betrieben, warum mussten über die gesamte Länge hin die Protagonisten wie Marionetten gelenkt und gegängelt werden? Um Klarheit über die Musik zu schaffen: Eigentlich war die nicht so »verschüttet« wie das ganze Stück, auch überhaupt nicht verstaubt. Eberhard Fritsche führte das Orchester durch die meist mitreißenden, oft lyrischen Partien - echte Ohrwürmer aus einschlägigen Radiosendungen. Die Ausstattung der Bühne war ansprechend, wenn es auch anachronistisch wirkte, dass die Amerikaner (man schrieb das Jahr 1928!) schon indianische Wurzeln beschworen haben sollten.
In der Besetzung glänzte Brigitte Bauma als reiche Tochter Mary Lloyd mit einer Stimme, die auch Opernpartien gerecht wird. Sängerisch ebenbürtig Stefan Heibach als Erbprinz Sandor Boris - warum mutete ihm die Regie aber infantile Szenen zu. Ganz reizend auch Kirsten Höner zu Siederdissen als schüchterne Prinzessin Rosemarie, die im Gespann mit Tobias Keil als Millionärsmanager Bondy ein prächtiges Buffopaar abgab. Detmolds »Urgestein« Michael Klein, der langjährige Oberspielleiter Ulrich Holle sowie drei echte Koreaner, an denen dank der Musikhochschule Detmold kein Mangel ist, glänzten als köstliche Chargen.
Hansjürgen Kochanek

Artikel vom 06.02.2006