06.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Großartige Darstellerkunst geboten

Hauptmann »Biberpelz« mit Doris Kunstmann Samstag im Stadtgarten


Bünde (öse). Wenn man dreinschaut, als könne man kein Wässerchen trüben, dennoch mit allen Wassern gewaschen ist - so kann das eine hervorragende charakterliche Mischung sein. So auf jeden Fall bei »Mutter Wolffen«, die am Samstagabend im Stadtgarten wohl die Herzen eroberte.
Gerhart Hauptmanns »Biberpelz« hüllte alle Anwesenden ein in die stilechte, mit burschikosem Charme angereicherte Epoche von Altberlin. Und wohl alle zwölf Akteure schrieben Kapitel großartiker Darstellungskunst. Allen voran Doris Kunstmann. Sie verstand es auf ihre spezielle Weise, einen Bogen zu spannen zwischen Mutterwitz, ausgeklügelter Raffinesse und urwüchsiger Eleganz.
»Katzbuckel-Qualitäten« dürfen gern andere besitzen - die Waschfrau »Mutter Wolffen« setzt bei etwaigen Problemen ihre hochaktivierte Berliner Schnauze ein. So schrumpft auch ihr Respekt vor Obrigkeiten und deren Rechthabereien - sie wäscht denen eher den Kopf. Mit beiden Beinen auf der Erde, das Herz auf dem rechten Fleck und einem Temperament, das sich häufig wie Lava über andere ergießt: Doris Kunstmann war wie verschmolzen mit der Rolle dieser despektierlich-warmherzigen Frau. Allerdings: Mit ihren Leistungen hinter dem Berg halten mussten alle anderen Darsteller gewiss nicht. Da waren Kristina Sahlin und Ines Lammers als Leontine und Adelheid, die beiden Töchter von Mutter Wolffen. Mädchenhaft, zuweilen schüchtern aber dennoch handfest und mit kessem Mundwerk versehen meistern sie ihr noch blutjunges Leben.
Julius (Joachim Szaunig), der eher zurückhaltende Ehegatte, murrt zwar zunächst, freut sich dann um so mehr, wenn die nicht ganz lupenreinen Aktionen seiner Gemahlin kein Schuss ins Leere sind. So auch die Sache mit dem Biberpelz, der eigentlich dem Rentier Krüger alias Eckhardt Bogda gehört, sich dann aber auf dem »Pott« des Schiffers Wulkow - gemimt von Frank Zielske - wiederfindet. Das Klima der so genannten »Septennatskämpfe« gegen Ende der Achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts lässt Amtsvorsteher von Wehrhahn stets eintauchen in Misstrauen und Verfolgungseifer gegenüber staatsfeindlicher Bestrebungen.
Mit Septennatskampf bezeichnete man die Ära der Auseinandersetzungen zwischen Bismarck und der Opposition um den Militäretat. Amtsvorsteher von Wehrhahn, grandios verkörpert von Marten Sand, muss sich letzten Endes Mutter Wolffensverschlagenem Ego ergeben.
Robert Hummel als Doktor Fleischer, der undurchsichtige Motes alias Thomas Linz, seine kapriziöse Ehefrau (Gesine Ringel), der affektierte Amtsschreiber Glasenapp - diesen Part setzte Thomas Müller-Brandes gekonnt in Szene - und Amtsdiener Mitteldorf, gespielt von Dieter Stolz, bereicherten das Stück außerdem.
Eine erfrischende Idee ließ das Publikum fast zu Beifallsstürmen hinreißen. »Leontine« und »Adelheid« schlüpften, während Requisiten umgestellt wurden, vor den Vorhang, trugen alte Gedichte und Volksweisen in kitschig-graziöser Weise vor. So manches Zwerchfell ließ sich dadurch gern erschüttern.

Artikel vom 06.02.2006