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Software von morgen erkennt Gefühle

WV-Serie: C-LAB entwickelt intelligente Systeme und lernt dabei vom menschlichen Körper

Von Mario Berger (Text und Fotos)
Paderborn (WV). Weltweit stehen 20 Milliarden Mikroprozessoren 6,4 Milliarden Menschen gegenüber. Für unsere Spezies ist dieses komplexe Bit- und Byte-Chaos schon lange nicht mehr überschaubar. Aus diesem Grund entwickelt das C-LAB Lösungen, mit denen sich die Computersysteme selbstständig »heilen« und überwachen. Ideengeber für ihre Forschungen ist der menschliche Körper.

»Immer mehr Systeme werden miteinander vernetzt«, informiert Prof. Dr. Franz J. Rammig, »das ist ein riesiger, künstlicher Organismus.« Ein gutes Beispiel hierfür sei das Internet. »Niemand kann genau erklären, wie es funktioniert«, versichert der C-LAB-Chef. Das sei nur durch komplizierte statistische Berechnungen möglich. Das Geniale daran: die unglaubliche Stabilität des Netzwerks. Durch die verteilte Infrastruktur finden die Daten immer, auch wenn mal ein Knotenpunkt ausgefallen ist, den Weg zum Ziel.
Ähnlich verhalte es sich mit dem menschlichen Körper. »Niemand ist in der Lage, bis ins letzte Detail zu erklären, wie dieser Organismus funktioniert«, betont der Professor. Tritt ein Problem auf, beispielsweise ein grippaler Infekt, helfe sich der Körper mit seinem Immunsystem, das den Virus bekämpft. Den Vergleich mit der Biologie haben sich die Wissenschaftler zum Vorbild gemacht und entwickeln Lösungen, mit denen sich komplexe IT-Systeme selbstständig reparieren und weiterentwickeln können, ohne den Eingriff des Anwenders.
Dabei diente der Mensch schon oft als Ideengeber, beispielsweise beim Sport. So entwickelten die Paderborner Softwaretechnologen intelligente Fußball-Roboter, die nicht nur hinter dem Ball herlaufen, sondern auch die Spielweise der anderen Roboter mit ins Kalkül ziehen können. »Die Systeme sollen nicht autonom, sondern im Team arbeiten«, erklärt Rammig, »wie Armeisen, die erst in der Masse zu intelligenten Tieren werden.«
Diese künstlichen Objekte werden oft als menschliche Lebewesen visualisiert, informiert Rammig. Mit »Mexi«, einem Roboter, der Emotionen erkennen und wiedergeben kann, erzielte das C-LAB ein wichtiges Forschungsergebnis. »Menschen sind die geborenen Imitatoren«, sagt Dr. Wolfgang Kern. Das Computersystem von morgen müsse erkennen, in welcher emotionalen Situation sich sein Gegenüber befindet. »Ein Textverarbeitungsprogramm wird sein Verhalten ändern, wenn es merkt, dass der Benutzer immer ärgerlicher wird«, erklärt C-LAB-Chef Kern.
Bei aggressiven Autofahrern sorge die Motorelektronik für eine moderatere Fahrweise. Dank einer elektronischen Erkennung von Gesichtsausdrücken bleibt in Zukunft auch dem gestressten Leiter eines Kernkraftwerks der Eintritt ins Allerheiligste verwehrt.
In einem aktuellen Projekt von C-LAB und dem Flugzeughersteller Airbus kommt das Erforschte schon zur Anwendung. »Es gibt Situationen, in denen es unmöglich ist, verbal zu kommunizieren«, berichtet Wolfgang Kern. »Die Airbus-Techniker krabbeln in enge und laute Schächte, in denen eine Tastatur nicht zu bedienen ist.« Mit einer kleinen Kamera, die die Gestik des Arbeiters erkennt, und einem in der Brille eingebauten Head-Up-Display kommuniziert der Techniker mit einer Datenbank, die die gewünschten Informationen aus der Betriebsanleitung des Fliegers direkt in die Brille spiegelt.

Artikel vom 03.02.2006