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»Verfolgt und auserwählt«:
musikalischer Brückenschlag

43. Haller Bach-Tage: Recitationsabend bei Storck

Halle (WB). Drei große Komponisten der Streicher-Literatur kombiniert das Nomos-Quartett mit Texten jüdischer Autoren aus den Jahren der Verfolgung. Das Konzert mit dem Titel »Musik und Recitation - Verfolgt und Auserwählt« ist Teil der Haller Bach-Tage und beginnt am Dienstag, 7. Februar um 20 Uhr im Storck-Treffpunkt.

Die Bachtage haben in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk auf jüdische Musiktraditionen und deren Spuren in christlicher Tonkunst. Gespielt werden drei Fugen von Johann Sebastian Bach (1685-1750) aus dessen Spätwerk »Die Kunst der Fuge«, von Ludwig van Beethoven (1770-1827) das Streichquartett B-Dur op. 130 mit »Großer Fuge« op. 133 und das Streichquartett No. 8 op. 110 von Dimitrij Schostakowitsch.
Der schon zu Lebzeiten gefeierte Beethoven irritierte sein Publikum mit Streichquartetten von avantgardistischer Klanglichkeit und stürzte die Gattung in eine Krise. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert erfuhr das Streichquartett - zwei Violinen, eine Viola, ein Cello - zwar eine Professionalisierung, es bildeten sich feste Ensembles, doch stand das Streichquartett nur bei wenigen Komponisten im Zentrum ihres Schaffens. Umso bemerkenswerter, dass Schostakowitsch in seinem 1960 entstandenen Werk an die Blütezeit vor Beethoven anknüpft und dennoch wie Beethoven stark selbst darstellende Elemente einbaut. Der sowjetisch-russische Komponist, ein Meister der stillen Andeutung und der introvertierten Ironie, hat seine Werke stets dazu genutzt, seiner kritischen Position gegenüber dem stalinistischen Regime, das ihn förderte und gleichzeitig unterdrückte, Ausdruck zu verleihen. Sein Streichquartett No. 8 ist den Opfern von Faschismus und Krieg gewidmet.
Das Nomos-Quartett mit Martin Dehning und Sonja-Maria Marks, Violine, Friederike Koch, Viola und Sabine Pfeiffer, Violoncello, gewann seit seiner Gründung 1984 internationale Wettbewerbe und gehört heute zu den führenden Streichquartetten Europas. Die Zusammenarbeit mit Musikerpersönlichkeiten wie Nikolaus Harnoncourt und György Kurtág waren prägend für das Musikverständnis der Mitglieder und führte sie zum Brückenschlag zwischen der großen Quartett-Literatur und der neuesten Musik zum Programm.
Entgegen den Ankündigungen im Programm tritt Barbara Michel für die verhinderte Therese Berger als Sprecherin auf. Die in Wiesbaden geborene und in Zürich aufgewachsene Schauspielerin arbeitet seit 1987, nach Anstellungen an den Bühnen der Stadt Bielefeld und am Stadttheater Aachen, als freischaffende Künstlerin. Neben dem Schauspiel ist sie im Kommunikations- und Verhaltenstraining zu Hause und arbeitet als Lehrerin für szenische Darstellung und Rhetorik. Für diesen Abend hat sie ein Programm mit drei Themenblöcken zusammengestellt. Der erste unter der Überschrift »Vertriebene sind wir, Verbannte«, gefolgt von »Rufen im Dunkel« und dem letzten unter der Überschrift »Wir Geretteten«. Eine Liste der Autoren und die Quellenangaben liegen im Konzert aus.

Artikel vom 06.02.2006