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Leitartikel
Bezahlen für Privatsender?

Wie sich
Fernsehen
verändert


Von Andreas Schnadwinkel
Erstaunlich lange hat es gedauert, bis das entscheidende Wort gefallen ist. Nun, nach dem Scheitern der Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Springer-Konzern, ist es endlich heraus: Der Vorgang war ein Politikum. Als das Begehren des liberal-konservativen Zeitungshauses bekannt wurde, gingen die von Alt-68ern dominierten, eher linkslastigen Medien reflexartig in Stellung. Ganz klar: Der linke Medien-Hauptstrom fürchtete, einen Teil seiner Meinungsmacht und Deutungshoheit über das »politisch Korrekte« einzubüßen, wäre Springer (»Bild«, »Die Welt«) bei ProSiebenSat.1 zum Zuge kommen.
Nach dem Veto des Bundeskartellamtes blieb der Weg der Ministererlaubnis nicht wirklich gangbar, denn Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) wollte die große Koalition nicht mit einer Entscheidung zugunsten Springers belasten - zumal die SPD auf dem Medienmarkt mit ihrer DDVG-Holding eigene Interessen verfolgt, Interessen, die in Zeiten der Mediokratie sehr fragwürdig sind.
Angesichts der jüngsten Entwicklungen und sich andeutender Trends auf dem Fernsehmarkt möchte man meinen, dass Springer froh sein sollte, ProSiebenSat.1 nicht bekommen zu haben.
Private TV-Sender klagen über sinkende Werbeeinnahmen, investieren folglich weniger Geld in das Programm und lösen eine negative Spirale aus: Billige Produktionen locken vor allem bildungsferne Schichten und Transferempfänger vor den Bildschirm, die für die Werbewirtschaft keine attraktive Zielgruppe darstellen. Die Werbeerlöse sinken noch weiter, und die Preise für Werbesekunden werden nach unten angepasst. TV-Shows mit Oldies aus den 70ern sind nicht auf allen Sendern zu sehen, weil die Musik damals so schön war - sondern weil solche Sendungen praktisch nichts kosten.
Auch die öffentlich-rechtlichen Sender klagen über Einnahmeausfälle, wenngleich auf hohem (Gebühren-)Niveau. Ihr Problem: Immer mehr Menschen haben Anspruch auf Gebührenbefreiung oder -reduzierung. Der jährliche »Forderungsausfall« der GEZ liegt zwischen 753 und 822 Millionen Euro; das sind knapp zwölf Prozent der gesamten Rundfunkgebühren. Auch deswegen sollen vom 1. Januar 2007 an Gebühren für Computer mit Internetanschluss erhoben werden - eine völlig irrige Vorstellung, die jeden Dienstleistungsarbeitsplatz vom Callcenter bis zum Reisebüro beträfe.
Der TV-Markt in Deutschland bereitet sich unterdessen auf einen neuen, grundlegenden Wandel vor. Im Jahr 2010 sollen alle Kommunikationsleitungen digitalisiert sein. Kabel- und TV-Gebühren zahlt jeder Haushalt bereits jetzt, aber spätestens dann kommen Freischalt- und Nutzungsgebühren für den digitalen Empfang privater Sender hinzu, die zu dem Zeitpunkt nicht mehr analog zu empfangen sein werden. Wer könnte sich heute schon vorstellen, für die Werbestationen RTL, Sat .1 & Co. einmal so etwas wie Gebühren zahlen zu müssen?

Artikel vom 06.02.2006