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»Johannes, das kannst Du nicht machen!«

Nach dem Tod von Rau: Zwei »alte Hasen« der Sozialdemokratie in Werther erinnern sich


Von Dunja Henkenjohann
Werther (WB). Der plötzliche Tod von Johannes Rau macht auch die Menschen in Werther betroffen. Anfang der 1980er Jahre war der ehemalige Bundespräsident im Rahmen einer Wahlveranstaltung persönlich in Werther zu Gast. Zwei »alte Hasen« der Sozialdemokratie in Werther, Altbürgermeister Martin Oberwelland und der ehemalige Ortsvereins-Vorsitzende Dr. Bodo Brücher, erinnern sich gerne an ihren Genossen.
»Ich habe Johannes Rau persönlich getroffen, als ich das erste Mal Bürgermeisterkandidat war«, erinnert sich Oberwelland. Bei einem Fototermin mit dem Landesvater habe dieser gefragt »Wo kommste wech?«. Und als Oberwelland die Böckstiegelstadt nannte, fragte Rau: »Da ist doch jemand gewesen, der sich bei mir beklagt hat, weil er als Wertheraner Handwerker bei der Ausschreibug für das Krankenhaus nicht berücksichtigt worden war?«. Bei seiner Kandidatur fünf Jahre später sprach Johannes Rau Martin Oberwelland erneut auf diese Geschichte an.
Raus gutes Gedächtnis hat auch Dr. Bodo Brücher sehr beeindruckt. »Ich kenne Rau schon seit den 1950er Jahren«, erzählt er im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT. Der Wuppertaler sei genau wie Brücher, der aus Düsseldorf stammt, im SPD-Bezirk Niederrhein aktiv gewesen. Man habe sich sehr oft getroffen. »Wenn er mich gesehen hat, hat er mich immer persönlich angesprochen«, blickt Dr. Bodo Brücher auf ein sehr herzliches Verhältnis zurück.
»Johannes Rau hat auf Parteitagen immer eine fröhliche Stimmung hereingebracht«, erzählt der ehemalige SPD-Ratsherr. Außerem habe der langjährige NRW-Ministerpräsident leidenschaftlich gerne Witze erzählt. »Aber«, so erinnert sich Brücher, »mit der Zeit kannte man sie«. Die Nachricht vom Tod des Genossen hat Dr. Bodo Brücher gestern im Internet gelesen. »Das hat mich sehr betroffen gemacht.«
Dr. Siegfried Zierenberg erinnert in seiner Chronik über das Krankenhaus an den Besuch von Johannes Rau in Werther: Am Rande des Wahlkampfauftritts des damaligen Ministerpräsidenten im Gasthaus Rosendahl war eine Demonstration zum Erhalt des Krankenhauses organisiert worden. »Als Rau nach der Versammlung zum Auto ging, lief er uns in die Arme«, schreibt der pensionierte Chefarzt. »Er blieb stehen, als ich ihn anredete, und hörte auch zu. Ich konnte ihn über unsere verzweifelte Lage informieren.«
Es gebe sogar das Gerücht, so erzählt es Martin Oberwelland, dass Raus Schwiegermutter das Krankenhaus damals gerettet habe. Frau Delius aus Bielefeld soll ihm angeblich gut zugeraten haben, weil ihr Mann in Werther im Krankenhaus gelegen hatte: »Johannes, das kannst Du nicht machen.«
Nicht nur weil er zum 65. Geburtstag von Johannes Rau ein Buch mit persönlicher Widmung bekommen hatte, hat sich Oberwelland mit »Bruder Johannes« immer sehr verbunden gefühlt: »Ich habe bei ihm herausgehört, dass bei ihm die Erfahrungen mit den Nazis prägend gewesen sind, um in die Öffentlichkeit zu gehen und so eine Wiederholung zu vermeiden. Das war auch immer meine Motivation.«

Artikel vom 28.01.2006