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Götterbote ist krisensicherer Job

Paketzusteller Frank Schulte legt für Hermes 90 000 Kilometer im Jahr zurück

Von Per Lütje (Text und Fotos)
Kirchlengern (BZ). In der Antike geleitete Hermes die Götter und erledigte deren Botendienste. Heutzutage kommen auch Normalsterbliche in den Genuss dieses Service. Einer dieser »Götterboten« ist Frank Schulte, der als selbstständiger Kurierfahrer im Auftrag des Paketzustellldienstes Hermes bei Wind und Wetter in Löhne und Kirchlengern unterwegs ist.

Morgens um 7 Uhr fängt die Arbeit für den 38-jährigen Zusteller an. »Im Depot in Bielefeld-Sennestadt hole ich die Pakete für meinen Bezirk ab.« Zwei Stunden später landen dann die ersten Lieferungen bei den Adressaten. »Meine Runde beginne ich immer in Gohfeld bei den Reha-Kliniken.« Denn dort warten die Patienten bereits auf ihre Koffer. »Das ist ein Service, den Hermes bereits seit vielen Jahren anbietet. So müssen die Menschen ihr Gepäck nicht selbst tragen, sondern bekommen es bis aufs Zimmer geliefert.«
Seit fast vier Jahren ist Frank Schulte ein Götterbote. »Früher war ich als Möbelmonteur in ganz Europa unterwegs. Bis der Rücken nicht mehr mitgemacht hat.« Danach sattelte er zum Handelsvertreter um und verkaufte Kindergärten in ganz Ostwestfalen-Lippe Spielzeug. Doch weil dort seit einigen Jahren das Geld knapp ist, liefen die Geschäfte zuletzt schlecht.
Jetzt hat der Bad Oeynhausener einen krisensicheren Job, wie er selbst meint. »Das Paketaufkommen steigt von Jahr zu Jahr. « Das habe auch damit zu tun, dass Hermes die Produkte des Verkaufssenders QVC ausliefert. »Und das Bestellen im Fernsehen oder im Internet boomt. Ist ja auch sehr praktisch«, sagt Schulte.
Jetzt im Januar sind es etwa 140 Lieferungen, die der 38-Jährige täglich zustellt. »Das ist jetzt eine relativ ruhige Zeit.« Vor wenigen Wochen sah dies noch ganz anders aus. In der Vorweihnachtszeit habe es Tage gegeben, an denen er erst um 23 Uhr zu Hause gewesen sei. »Sie glauben gar nicht, wieviel Pakete von My Toys ich kurz vor Weihnachten noch ausgeliefert habe. Das war aber schon toll, wenn die Menschen sich riesig gefreut haben, dass das Geschenk doch noch pünktlich an Heiligabend unter dem Baum liegt«, sagt Frank Schulte.
Nicht immer, aber ab und an, zahlt sich die Dankbarkeit auch in barer Münze aus. »Trinkgeld gibt es schon noch. Das landet alles in einer Spardose. Und vielleicht kann ich 2017 davon dann einen Urlaub machen«, sagt er und lacht. Zuletzt hat sich Schulte 1997 eine Auszeit gegönnt. »Eine Woche Nordsee«. Zuhause rumzusitzen, sei nichts für ihn, meint der 38-Jährige. Der Bad Oeynhausener lebt alleine. Ohnehin sei sein Job nicht gerade förderlich für eine Beziehung. »Ein 15-Stunden-Tag ist keine Seltenheit.« In dieser Zeit bringt er bis zu 200 Lieferungen an den Mann oder die Frau. Bezahlt wird der Selbstständige von Hermes pro Frachtgut. Durchschnittlich 90 000 Kilometer im Jahr legt er auf der Straße zurück - für den früheren Handelsvertreter kein Problem: »Ich sitze gerne hinter dem Steuer. Ein Job im Büro wäre nichts für mich.«
Nicht immer wird Frank Schulte die Tür geöffnet. »Oft kann man schon vorher erkennen, ob jemand zu Hause ist oder nicht - zum Beispiel, wenn in einem Doppel-Carport kein Auto steht.« Manchmal hängt dann aber ein Zettel am Postkasten mit der Bitte, das Paket beim Nachbarn abzugeben - sehr zur Freude von Frank Schulte, weil er einen Abnehmer für die Lieferung hat. Allerdings habe ihn die Erfahrung gelehrt, dass er bei einer besonderen Spezies Bewohner fast immer auf der Ware sitzenbleibt. »Doppelhaushälften sind merkwürdigerweise problematisch. Dort sind die Nachbarn selten bereit, ein Paket für die Bewohner nebenan anzunehmen.«

Artikel vom 09.02.2006