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Geschichte ist unverzichtbar

Prof. Dr. Schäfer referierte beim Neujahrsempfang der CDU

Lübbecke / Minden (HoG). Ein überaus positives Fazit für die CDU zog am vergangenen Samstag der Kreisvorsitzende der CDU-Minden-Lübbecke, MdB Steffen Kampeter, während des traditionellen Neujahrsempfangs der CDU in der historischen Aula der Domschule in Minden. Hätte er alles das, was eingetreten ist, vor einem Jahr prognostiziert, hätte man ihn sicherlich für verrückt erklärt, erheiterte der heimische Bundestagsabgeordnete gleich zu Beginn der Veranstaltung die Zuhörerschar.Prof. Dr. Hermann Schäfer war Gastredner beim Neujahrsempfang der CDU im Mühlenkreis.
Als wesentliche Erfolge unterstrich Kampeter den Regierungswechsel in Düsseldorf, der ursächlich für die vorgezogene Neuwahl des Bundestages gewesen sei. Und auch hier sei es der CDU gelungen, die Position des Bundeskanzlers zu besetzen, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik mit einer Frau. Im Hinblick auf die anstehenden Landtagswahlen zeigte sich Steffen Kampeter ebenfalls überaus zuversichtlich.
Der Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel sei ein guter Start gelungen, wobei Kampeter die Große Koalition als einen guten Kompromiss bezeichnete. Allerdings, so der Kreisvorsitzende, werde die Große Koalition auch Dinge tun müssen, »die nicht nur Freude bereiten«. Das Jahr 2006 biete eine Vielzahl von Chancen, aber auch Risiken. Hier nannte er die regionalen Konflikte in Nahost, die politische und wirtschaftliche Auswirkungen mit sich brächten. Auch die Themen Arbeitsmarkt und Sozialversicherung stünden auf der Tagesordnung und müssten angepackt werden. Darüber hinaus müsse der Haushalt in Ordnung gebracht werden. Ziel sei es, Deutschland in kleinen Schritten nach vorn zu bringen. Hier seien auch in Düsseldorf einige Signale gesetzt worden und auch der Kreis stehe auf gutem Kurs, wobei Kampeter hier als beste Entscheidung den Bau des neuen Klinikums herausstellte. Im Hinblick auf eine Prognose jedoch hielt sich Kampeter ausdrücklich zurück. »2006 wird ein Jahr der Arbeit. Es gibt viel zu tun«, schloss er seine Ausführungen, bevor er als Gastreferenten an diesem herrlichen Wintertag den Präsidenten der Stiftung »Haus der Geschichte« der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, Prof. Dr. Hermann Schäfer, in der Aula willkommen hieß.
»Geschichtsbewusstsein als Grundlage nationaler Erinnerung« hatte Prof. Schäfer seinen Gastvortrag betitelt, und welche Bedeutung die Geschichte hat, machte der Referent mit dem Ausspruch deutlich: »Ein Staat, der ohne Geschichte lebt, wird ständig versuchen, das Rad neu zu erfinden«. Schließlich beginne Kultur im Kopf, und zwar mit derErinnerung. Es sei ein Grundbedürfnis der Menschheit, ihre eigene Herkunft kennen zu lernen. Schließlich entstehe daraus auch die Gestaltung der Zukunft. Derzeit erlebe die Menschheit in Europa die längste Friedensperiode des Kontinents in der Geschichte überhaupt.
Inzwischen, so Prof. Schäfer, sei auch die Bundesrepublik »museumsreif«, wobei er diesen Begriff sogleich definierte als dass nur das ausgestellt werden solle, was dessen auch würdig sei.
Der Fall der Mauer sei ein wichtiges Eckdatum. »Vor dem Mauerfall liegen 40 Jahre geteiltes Geschichtsbild«. Ganz allgemein gesehen falle es der jungen Demokratie schwer, mit ihrer undemokratischen Vorgeschichte umzugehen. Natürlich spielte auch das von Helmut Kohl initiierte Haus der Geschichte in Bonn eine wesentliche Rolle in den Ausführungen des Referenten. Dieses Projekt sei anfangs sehr umstritten gewesen, besitze aber inzwischen Vorbildcharakter und sei mehrfach ausgezeichnet worden. Ganz aktuell ist in Bonn die sehr erfolgreich angelaufene Ausstellung »Flucht, Vertreibung, Integration«, zu sehen, die sich mit dem 20. Jahrhundert als »Jahrhundert der Vertreibungen« befasst.
Hier werde ein sensibles Thema behutsam und überzeugend umgesetzt. Zwar setze die Ausstellung einen Schwerpunkt auf Flucht und Vertreibung deutschen Bevölkerung, der chronologische Rahmen jedoch sei weiter gespannt. Bereits der Begriff »Jahrhundert der Vertreibungen« mache deutlich, das der Blick nicht auf das Ende des Zweiten Weltkrieges verengt werden dürfe. In der Ausstellung würden Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen in Europa seit Anfang des 20. Jahrhunderts exemplarisch beleuchtet. »Die Besucher erfahren, dass Millionen von Menschen im 20. Jahrhundert von Flucht und Vertreibung zu verschiedenen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Ländern betroffen waren«, so Prof. Schäfer. Gleichzeitig werde das individuelle Leid deutlich, das damit für jeden einzelnen Menschen verbunden sei.
Diese gesamte Thematik werde heute viel breiter diskutiert, als vor 50 Jahren, selbst bei jungen Menschen, und in Osteuropa anders als bei uns. So hätten heute noch 60 Prozent der Polen Angst, »dass die Deutschen ihre Häuser und Ländereien zurück fordern«.
Der Referent unterstrich, dass es innerhalb Deutschlands eine gespaltene Erinnerungskultur zu diesem Thema gebe. So sei im Bereich der ehemaligen DDR der Begriff »Flüchtling« nur ganz kurz verwendet, später durch »Umsiedler« ersetzt worden. Ziel es es stets gewesen, die betroffenen Menschen als integriert zu betrachten. »Dieses Thema ist in der Ex-DDR bis zum heutigen Zeitpunkt leider noch nicht aufgearbeitet worden«, machte Prof. Schäfer zum Schluss seiner Ausführungen ein wesentliches Defizit in der deutschen Geschichte deutlich.

Artikel vom 30.01.2006