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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Günter Weige


»Lichtmess« begehen wir in der nächsten Woche am 2. Februar. Vor der Liturgiereform in der katholischen Kirche endete an diesem Tag die Weihnachtszeit. Bis zu diesem Tag blieb der Christbaum im Wohnzimmer stehen. Die Krippe wurde abgebaut. Geblieben ist die Kerzenweihe.
Lichtmess, ein Fest des Lichtes, ein Tag voller Hoffnung. Die dunklen Tage des Dezember und des Januars sind vorbei. Tage, die vielen aufs Gemüt schlagen und depressiv werden lassen. Es geht aufwärts. Die Macht des Winters ist gebrochen. Die Tage werden spürbar länger und sicher auch bald spürbar wärmer.
Dunkelheit und Kälte in der Welt auch im übertragenen Sinn. Und hier besteht kaum ein Anlass zur Hoffnung. Ganz im Gegenteil: Der Egoismus nimmt zu, Jugendliche werden immer gewaltbereiter. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir dürfen davor die Augen nicht verschließen. Doch die Dunkelheit nur zu beklagen hilft nicht weiter, Viel besser ist es ein Licht anzuzünden und sei es noch so klein.
Ein König hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, da wollte er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen seines Landes und rief seine beiden Söhne herbei. Er gab jedem der beiden fünf Silberstücke und sagte: »Ihr sollt für dieses Geld die Halle in unserem Schloß bis zum Abend füllen. Womit, das ist eure Sache.« Die Weisen sagten: »Das ist eine gute Aufgabe.« Der älteste Sohn ging davon und kam an einem Feld vorbei, wo die Arbeiter dabei waren, das Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepreßte Zuckerrohr lag nutzlos umher. Er dachte sich: »Das ist eine gute Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle meines Vaters zu füllen.« Mit dem Aufseher der Arbeiter wurde er einig, und sie schafften bis zum späten Nachmittag das ausgedroschene Zuckerrohr in die Halle. Als sie gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: »Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du nicht mehr zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger.« Der Vater antwortete: »Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten.«
Bald darauf kam auch der jüngere Sohn. Er bat darum, das ausgedroschene Zuckerrohr wieder aus der Halle zu entfernen. So geschah es. Dann stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke hinein. Der Vater sagte: »Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen brauchen.
»Was kann ich kleines Licht schon anrichten gegen die große Dunkelheit.« Wer hat nicht schon so gedacht? Genau umgekehrt ist es der Fall. Die größte Dunkelheit ist machtlos gegen das kleinste Licht. Das kleinste Licht bricht die größte Dunkelheit. Und ist es so schwer ein kleines Licht anzuzünden?
Eine Frau geht mit ihrem sehr stark sehbehinderten Mann durch die Stadt. Sie weist ihren Mann darauf hin, dass ein Bekannter ihnen entgegenkommt. Nach einiger Zeit die Frage des Mannes. »Wo ist er denn? Er müsste doch jetzt hier sein.« War er aber nicht, er war der Begegnung ausgewichen und hatte den Bürgersteig gewechselt. Sie ist enttäuscht. Im Leben des Mannes ist es dunkel genug geworden. Um die Dunkelheit nicht noch größer zu machen, lügt sie: »Er ist ins Geschäft gegangen.«
Eine Mutter mit einem behinderten Kind macht ähnliche Erfahrungen. Menschen weichen ihr aus und machen damit das Leben der Frau kälter und dunkler. Ist es so schwer ein kleines Licht anzuzünden? Ein paar freundliche Wort hätten ausgereicht, um das Leben dieser Menschen etwas heller zu machen.
»Ihr seid das Licht der Welt!« sagt Jesus. Kein Befehl, sondern eine Feststellung. Wenn wir unser Licht unter den Scheffel stellen, bleibt es dunkel.

Artikel vom 28.01.2006