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Polizeiwagen zerkratzt

Gebürtiger Türke nahm Schuld auf sich - Geldstrafe


Enger/Herford (cl). Einen ungewöhnlichen Vorgang haben Richterin Alexandra Sykulla und Staatsanwältin Sabine Schröder mit Bauchschmerzen akzeptieren müssen: Der heute 22-jährige Türke Ibrahim Y. (Name geändert) wurde beschuldigt, am Nachmittag des 16. Januar 2005 in Enger einen Streifenwagen der Polizisten zerkratzt zu haben, die einen Auftritt von Graffiti-Sprayern untersuchen wollten.
Bei ihm war besonders heikel, dass er wegen eines Raubes schon unter Bewährung stand und auch sonst reichlich Vorstrafen gesammelt hatte.
Doch plötzlich meldete sich überraschend der gebürtige Türke Kemal D. (29, Name geändert), der damals ehrenamtlicher Mitarbeiter der Offenen Jugendarbeit gewesen war, hauptsächlich in der Breakdance-Fakultät. Er wies keinerlei Vorstrafe auf, behauptete aber steif und fest, allein die Schäden am Streifenwagen verursacht zu haben.
Er hatte auch mehr als die Hälfte des angerichteten Schadens in Höhe von 929,63 Euro mit Hilfe seiner Eltern abgestottert, da er selbst das Abendgymnasium besucht und nur einen Praktikumsjob hat.
Dies alles hatte den Anschein, als habe es sich um einen Opfergang des Älteren gehandelt, um Ibrahim Y. die Gefängnisstrafe zu ersparen, die jetzt wohl fällig gewesen wäre. Da er die Abendrealschule besucht, hätte dies wohl viele Perspektiven für ihn zerstört.
Doch Kemal D. blieb bei seiner Darstellung. Die Sprayaktion war übrigens legal, da der Besitzer einer Sporthalle deren Rückwand für Graffiti-Sprayer freigegeben hatte. Denn wenn alles bemalt ist, wird die Fläche mit weißer Farbe übermalt und es kann wieder von vorne losgehen.
Doch die Polizisten seien nach Ansicht von Kemal D. unangemessen ruppig vorgegangen. »Deswegen bin ich echt ausgerastet, das war ein Gefühlszusammenbruch«, sagte er. So habe er die Motorhaube des Polizeifahrzeugs zerkratzt, dann sein Werk stolz Ibrahim Y. gezeigt und noch einmal beim Kotflügel zugeschlagen.
Das Urteil der Richterin: eine Geldstrafe von 300 Euro für Kemal D.. Er kann dies auch in Arbeitsstunden umwandeln lassen. Ibrahim Y. wurde auf Kosten der Landeskasse freigesprochen.

Artikel vom 27.01.2006