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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer i.R. Gottfried Cremer


Weltweit beherrscht die Sehnsucht nach Freiheit die Völker. Wir erleben das in den Freiheitsbewegungen bis zur Entartung des Terrorismus. Freiheit als höchstes Gut und Freiheit als Gefahr. Im Blick auf das letzte Jahrhundert können wir sagen: Der Nationalismus war der Totengräber Europas.
Die Freiheit ist aber auch im persönlichen Leben ein ganz wichtiger Faktor. Schon die Kinder wollen in den Trotzphasen und später in der Pubertät sich so viel wie möglich an Freiheit erkämpfen. Und doch wissen wir, dass da, wo Freiheit in Ichsucht endet, wo man nur noch denkt: »Gut ist, was mir nützt«, dass diese Art Freiheit das Leben des Einzelnen wie das soziale Gefüge des Staates zerstört.
Wir brauchen Gebote, so wie sie Gott in den zehn Geboten gab, als Geländer, als Leitfaden für unser Leben. Es geht nicht nur um die Freiheit von etwas, sondern um die Freiheit für etwas. In den Geboten heißt es: »Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland aus der Sklaverei herausgeführt habe.« Gott ist der Befreier. Menschen, die befreit werden, ihm zu vertrauen und die frei werden zur Hilfe für den Nächsten. Bei dem Propheten Hesekiel heißt es: »Ich gab ihnen meine Gebote und lehrte sie meine Gesetze, durch die der Mensch lebt, der sie hält (Kap. 20,11).«
Gott hält diese Gebote für lebensnotwendig. Oder sind sie ein verstaubtes Erbe vergangener Zeit, das uns heute nichts mehr bedeutet? Nein, Sie sind ein großes Angebot. »Ich bin dein.« Gott zeigt uns damit seine unbegreifliche Liebe. Die Liebe eines Vaters zu seinem Kind.
Wer dies in seinem Leben entdecken kann, lebt von da an in einer tiefen Geborgenheit und Freude. Er ist immun gegen die Götzen unserer Zeit, gegen den Mammon, gegen Selbstvergötterung und Ichsucht. Sie strahlt aber auch aus in das Alltagsleben des Menschen. So wie Gott liebt, sollen auch wir Menschen liebesfähig werden. Darum geht es auch in den Geboten um das Verhältnis von Eltern und Kindern, dem Schutz des Lebens, von Liebe und Treue in der Ehe, vom Recht auf Eigentum, von der Wahrheit, die erst Gemeinschaft ermöglicht, vom Schutz unsers Herzens vor zerstörerischer Begehrlichkeit, ein Leitfaden des Lebens, den man sozusagen an den zehn Fingern abzählen kann. Jesu Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe ist die tiefste Sinngebung unseres Lebens.
Das Schönste aber ist, dass Gott nicht nur fordert, sondern schenkt. Wir alle wissen um unser tägliches Scheitern an diesem Liebesgebot. Das macht die Schuld und das Unglück unseres Lebens aus. Diese Schuld aber hat Christus am Kreuz bezahlt und er hat uns seinen Geist verheißen, der uns zum Guten, zur Liebe antreibt. Darum sind auch Gottes Gebote keine Tyrannei, keine Zwangsjacke, nichts, was uns kaputt macht, sondern etwas, das unser Leben ausrichtet, reich und fröhlich macht, so wie Paulus sagt: »Wir wissen, dass das Gesetz gut ist, wenn es jemand recht gebraucht.« (1. Tim 1,8).

Artikel vom 28.01.2006