28.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mohns Angebot zu gering

Johannes Rau wäre beinahe bei Bertelsmann gelandet

Gütersloh (mdel). Johannes Rau pflegte vielfältige Verbindungen in den Kreis Gütersloh. Was nur wenige wissen: Der gestern verstorbene Altbundespräsident wäre beinahe sogar bei Bertelsmann angefangen.

»Das war noch beim Vater von Reinhard Mohn. Ich sollte als Verlagsangestellter bei Bertelsmann arbeiten«, erzählte Johannes Rau vor drei Jahren bei einem Besuch in Gütersloh. Der spätere Landesvater von Nordrhein-Westfalen winkte wegen des Geldes ab. Rau sollte 240 Mark verdienen. Das hätte seinen Angaben zufolge nicht für die Wohnung in Gütersloh gereicht. Doch es gab noch mehr Begebenheiten, die Rau mit Gütersloh verbanden. »Bruder Johannes« kaufte sein erstes Fahrrad in der Berliner Straße, und sein Deutschlehrer war der damalige Direktor des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums.
Einer von Raus langjährigen Weggefährten ist Jürgen Jentsch. »Ein großer Mann ist von uns gegangen«, äußerte sich der frühere SPD-Landtagsabgeordnete gestern betroffen, »seine Politik hat dem entsprochen, was ich auch wollte: Wir wollten etwas für die Menschen tun.« Kennengelernt hat Jürgen Jentsch den damaligen Ministerpräsidenten im Landtagswahlkampf 1985, als Rau nach Gütersloh kam und auf dem Berliner Platz sprach. »Er konnte sein, wo er wollte: Er zog die Menschen in seinen Bann«, stellte der Spexarder schnell fest.
In seiner 20-jährigen Zeit im Landtag erlebte Jentsch drei Ministerpräsidenten - Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück. »Rau war der einzige, der die Meinung des anderen immer respektiert und sachlich reagiert hat. Die beiden anderen waren manchmal nicht in der Lage, sich zu beherrschen«, blickt der Sozialdemokrat zurück. Besonders gerne erinnert er sich an eine Begegnung zurück, als Rau bereits Bundespräsident war. »Ich war bei einer Messe in Frankfurt und übernachtete in einem Hotel. Als ich am Morgen zum Frühstück kam, saß dort bereits Johannes Rau mit seinen Bodyguards und winkte mich herüber. Wir haben dann zusammen gefrühstückt und uns Dönekes erzählt.« Der Bundespräsident vergaß seine alten Weggefährten nicht. Zu Geburtstagen schickte er Grüße nach Gütersloh. Jürgen Jentsch wird ihn nicht vergessen. Für den Spexarder steht fest: Rau war jemand, an dem man sich orientieren konnte.

Artikel vom 28.01.2006