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Diskretes Duo an Storcks »Klagemauer«

Werner Krauß nimmt Abschied von Sozialabteilung - Adelheid Feldt feiert bald Jubiläum

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle (WB). An einer Wand Fotos und ein Logo aus Kinderhand, gegenüber Broschüren und Ratgeber. Die »Klagemauer« bei Storck - das ist ein Büro mit Wänden, durch die nichts nach außen dringt. Die Kollegin vom Band weint sich dort ihren Kummer mit dem Ehemann von der Seele. Der Schlosser mit Geldsorgen hofft auf einen Rat. »Wir leben vom Vertrauen der Mitarbeiter«, wissen Werner Krauß und Adelheid Feldt.

Mit seiner vorbildlichen Sozialabteilung steht Storck als Arbeitgeber für 1900 Menschen aus Halle und Umgebung allein auf weiter Flur. Der Gemeinschaftssinn, das »Wir von Storck« - das war 1976 für den verstorbenen Geschäftsführer Lutz-Erdmut Adolf der Anlass, Werner Krauß nach Halle zu holen. Ende Februar geht der vielseitig interessierte Chef der kleinen Abteilung in den Ruhestand. Seine Kollegin, die im Sommer auch schon 25 Jahre bei Storck ist, bekommt mit dem Sozialpädagogen Klaus Balgenorth einen neuen Chef.
Ob dieser auch ans Band geht, um die Mitarbeiter kennen zu lernen, so wie es damals Werner Krauß gemacht hat? Der in Esslingen aufgewachsene »Storckianer« hatte in seinen ersten Berufsjahren schon unschöne Erfahrungen gesammelt: Nach der Ausbildung als Industriekaufmann und dem Betriebswirtschaftsstudium, das er auf dem zweiten Bildungsweg absolvierte, war er in Stuttgart acht Jahre im Personalwesen eines Betriebes mit 1200 Mitarbeitern tätig. Dort lernte er die Schattenseite des Berufes kennen. In der Ölkrise 1973 musste er Ingenieure entlassen, die er sechs Monate zuvor eingestellt hatte. Krauß, seit 54 Jahren Mitglied im CVJM ist und seit 14 Jahren Presbyter in Halle: »Wenn man seine Aufgabe ernst nimmt, muss einem so etwas quer runter gehen«.
Bei Storck hatte der Schwabe »von Beruf und Berufung« glücklicherweise ganz andere Aufgaben. Die Einzelbetreuung gehörte von Beginn an dazu. Ob es um Schnaps geht oder Schulden, um Drogen oder Panikattacken - wenn Werner Krauß oder Adelheid Feldt zuhören, hört niemand mit. Das verschwiegene Duo hat die Erfahrung gemacht, dass nach einem offenen Gespräch zwar nicht sämtliche Probleme des Mitarbeiters gelöst sind, dass es ihm jedoch besser geht.
Adelheid Feldt (50) ist nach dem Sozialwissenschaftsstudium in Osnabrück beim »süßen Riesen« angefangen und lebt heute in Bad Oeynhausen. Wie ihr Chef kennt sie die eigenen Grenzen und arbeitet selbstverständlich mit Beratungsstellen und anderen externen Profis zusammen.
Neben den Geschichten mit dem bitteren Beigeschmack hat das soziale Doppelgespann mit der Freizeit der Mitarbeiter beim »Süßen Riesen« zu tun. Für »Storckianer« und ihre Familien gibt es im Schnitt pro Jahr spezielle 35 verlockende Angebote: Neujahrsfußball und Kanutouren, Konzerte, Ausstellungen und Ausflüge, mal zur Freilichtbühne Tecklenburg, mal ins neue Kinder-Museums Atlantis. Von den rund 1800 Teilnehmern jährlich sind gut 600 Mitarbeiter.
Auch das betriebliche Vorschlagswesen läuft über die Sozialabteilung. Wenn ein Schlosser eine gute Idee hat, wie Verpackungsmaterial gespart werden kann, dann zahlt sich dies für ihn - wie auch in einigen anderen heimischen Unternehmen - in Euro und Cent aus. Für die Wirtschaftlichkeit zuständig sind Werner Krauß und Adelheid Feldt beim Betriebsrestaurant im »Treffpunkt«. Ein Team, das sich von Berufs wegen um vieles kümmert. Und das dafür auf Information und Kommunikation angewiesen ist. Wie sagte einst der frühere Generalbevollmächtigte Otto Pahnke? »Gib mir deinen Rat, damit ich gut entscheiden kann«. Werner Krauß hat sich diesen Satz gut gemerkt.

Artikel vom 18.02.2006