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Ein-Euro-Job
erweist sich als
große Chance

Hagen Schnier hat eine neue Stelle

Von Stefanie Westing
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). Vier Jahre lang war er arbeitslos. Schrieb mehr als 300 Bewerbungen. Und wurde doch immer wieder abgelehnt mit den Worten: »Zu alt.« Jetzt hat Hagen Schnier (38) eine neue Chance bekommen. Als so genannter Ein-Euro-Jobber arbeitete er für den Diakonie-Verband Brackwede - und wurde nun in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen.

Der Sennestädter, gelernter Handelsfachpacker, war nach seiner Ausbildung bereits unter anderem als Kurierfahrer und Produktionsarbeiter im Einsatz. »Leider immer nur mit Zeitverträgen. Aus der Arbeitslosenhilfe bin ich nicht mehr rausgekommen«, erzählt Schnier. Mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II wurde er Hartz IV-Empfänger. Durch die Vermittlung der Personalentwicklungsgesellschaft REGE schließlich entstand der Kontakt zum Diakonie-Verband Brackwede.
»Wir hatten einen Ein-Euro-Jobber angefordert mit dem Profil Botengänge und Wartung des Fuhrparks. Wir hatten niemanden, der sich um die 17 Autos kümmerte«, erinnert sich Geschäftsführer Bernd Onckels. »Früher haben das Zivildienstleistende übernommen, aber davon gibt es immer weniger. Daher mussten wir uns fragen, wie wir weiterhin sicherstellen können, dass sich die Pflegekräfte auch in Zukunft hundertprozentig auf ihren Job konzentrieren können und sich nicht um Dinge wie Tanken oder Autopflege kümmern müssen.«
Mit diesen Minijobbern hat Onckels gute Erfahrungen gemacht - obwohl er davon überzeugt ist, dass damit auch viel Schindluder getrieben wird. Doch er kann Positives berichten: Nicht nur, dass in den Diakonie-Altenzentren eine Vielzahl von Ein-Euro-Kräften eingesetzt sind, mit den Heimbewohnern spazieren gehen, Ausflüge machen oder Dinge tun, die sonst zu kurz kommen. Darüber hinaus sind im Ernst-Barlach-Haus in Sennestadt bereits zwei ursprüngliche Ein-Euro-Jobber in der Pflege fest eingestellt worden. »Wir legen viel Wert auf die Freiwilligkeit. Diejenigen, die zu uns kommen, müssen Spaß daran haben, mit Menschen zu arbeiten. Sonst bekommen wir Probleme.«
Die gab es mit Hagen Schnier nicht. »Seine Biographie hatte Brüche, er hatte viel gejobbt und dadurch Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden, obwohl seine Schulbildung nicht schlecht war. Aber er hatte Probleme, sich in den Bewerbungsgesprächen richtig zu verkaufen. Bei uns überzeugte er aber von der ersten Minute an durch seine gute Arbeit«, betont der Geschäftsführer des Brackweder Diakonie-Verbandes. »Selbst wenn wir ihm keine Festanstellung hätten anbieten können, hätten wir ihm doch ein gutes Zeugnis ausgestellt, mit dem er sich woanders hätte bewerben können. Aber es wäre ja äußerst unklug, gute Leute gehen zu lassen.«
Während der Arbeitsgelegenheit nutzte Schnier die Chance, sich fortzubilden, absolvierte eine Schulung »Große Erste Hilfe« und einen Computerkursus. Jetzt ist er neben dem Fuhrpark auch in der Notrufversorgung des Service-Wohnens tätig, hilft den Menschen im Betreuten Wohnen, wenn sie einen Schlüssel verloren haben, aber auch bei medizinischen Notfällen - 38,5 Stunden pro Woche. Zunächst hat er einen auf ein Jahr befristeten Vertrag erhalten. Onckels: »Befristete Verträge sind inzwischen üblich, weil wir noch nicht wissen, wie wir mit den ökonomischen Ressourcen hinkommen. Aber es gibt die Perspektive auf Verlängerung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nach einem Jahr wieder geht.« Der 38-Jährige freut sich, dies zu hören: »Ich mache jetzt einen Schritt nach dem anderen. Wichtig ist, dass ich für mein Alter vorsorgen kann. Denn so viele Chancen werde ich im Leben nicht mehr bekommen.«

Artikel vom 27.01.2006