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Evangelium per Handy

Ungewohnte Töne beim Kirchen-Neujahrsempfang

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Kreis Höxter (WB). Die Kirche sollte ihre Botschaft nicht nur in Gotteshäusern, sondern auch auf elektronischem Weg über das Internet oder gar per SMS über das Handy verkünden.

Beim Neujahrsempfang des evangelischen Kirchenkreises gestern Abend im Paul-Gerhardt-Haus in Paderborn hielt Gastredner Dr. Fidon R. Mwombeki der heimischen Kirche aus afrikanischer Sicht den Spiegel vor und schlug eher ungewohnte Töne an. Mwombeki ist derzeit Pfarrer in Tansania, übernimmt aber in Kürze als bereits gewählter Generalsekretär die Leitung der Vereinten Evangelischen Mission - ein Zusammenschluss von Kirchen aus Asien, Afrika und Deutschland.
Der 45-jährige Pfarrer aus Tansania empfindet es als Katastrophe, wenn die Kirche in der »elektronischen Kultur« im Hintertreffen bleibe und weiterhin nur auf ihre Orgel, die immer gleichen Lieder oder den alten Predigtstil setze. Es reiche nicht mehr aus, die Leute »in unseren ehrwürdigen historischen Gebäuden« zu erwarten statt sie dort aufzusuchen, wie sie sind. Dazu gehöre auch das Internet mit der Predigt oder Musik zum Runterladen oder eine christliche Partnervermittung mit Rubriken »Sie sucht ihn« oder »Er sucht sie«.
Der Theologe beklagte in Paderborn ein offenkundiges Tabu, über den Glauben zu sprechen. Die Redensart »Über Geld und Religion spricht man nicht« sei eine gefährliche anti-christliche Geisteshaltung. Mwombeki: »Wenn Menschen nicht über ihren Glauben sprechen können, noch nicht einmal zu Hause, dann hat die Kirche keine Zukunft«.
Der Gastreferent wunderte sich beim Neujahrsempfang in Paderborn, dass die Kirche in Deutschland möglichst kurze Gottesdienste feiere, weil die Leute rasch nach Hause wollten. Dabei besuchten sie stundenlang Konzerte und gäben viel Geld dafür aus, Fußball zu sehen oder ins Kino zu gehen. Aber in einer Kirche hielten sie es nicht länger als eine Stunde aus. Mwombeki: »Haben wir irgendwelche Beweise dafür gefunden, dass die immer kürzeren Gottesdienste Menschen in irgendeiner Weise ermutigt hätten, öfter zum Gottesdienst zu gehen?«. Die Lebendigkeit und Zukunftsfähigkeit der Kirche stehe in direktem Zusammenhang mit der Zahl der Mitglieder, die am Sonntagmorgen zum Gottesdienst kämen.
Superintendentin Anke Schröder räumte beim Neujahrsempfang ein, dass sich der evangelische Kirchenkreis Paderborn derzeit zu sehr mit seiner Finanzkrise als mit Glaubensfragen befasse. Schröder: »Wir haben es bitter nötig, uns auch einmal von außen betrachten zu lassen«. Die Finanzkrise scheine an manchen Stellen mächtiger zu sein als Glaube, Liebe und Hoffnung. Schröder: »Ich glaube, dass diese finanzielle Krise auch eine Anfrage an unseren Glauben ist und die Art und Weise, wie wir ihn vermitteln«.
Dem evangelischen Kirchenreis Paderborn gehören etwa 84 000 Christen in 24 Gemeinden an.

Artikel vom 27.01.2006