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Fünf Fragen an . . .

Prof. Bernd Raffelhüschen

Brakel (rob). Pensionären stehen Nullrunden bevor. Die Wirtschaftsentwicklung und die Vergreisung der Gesellschaft lassen dem Gesetzgeber keine andere Wahl als auch die Renten zu reduzieren. Länger arbeiten und weniger Geld im Alter heißt die Marschrichtung. Auch das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps. Prof. Bernd Raffelhüschen (49), Finanz- und Rentenexperte der Uni Freiburg, gehört dem »Club für deutliche Aussprache« an und nennt die Fakten - anders als viele in der Politik - beim Namen. Deshalb ist er Mitglied in Regierungskommissionen und gern gesehener Gast in Talkshows und TV-Politiksendungen. Am Rande seines Besuches beim Finanz-Forum der Sparkasse Höxter in Brakel sprach jetzt WESTFALEN-BLATT-Redakteur Michael Robrecht mit Prof. Bernd Raffelhüschen.

Prof. Raffelhüschen, seit dem Herbst 2005 regiert in Berlin eine Große Koalition. Die Zusammenarbeit der großen Parteien CDU und SPD wäre doch eine Riesenchance für den berühmten mutigen Ruck durch Deutschland?
Prof. Raffelhüschen: Das sehe ich etwas abgeklärter. In manchen Teilen ist die Große Koalition älter als man denkt. Sie war schon vorher da - wenn man sich die Zusammenarbeit bei der Rentenversicherung ansieht. In anderen Teilen ist sie jung. Und da könnte man jetzt Mut erwarten. Es ist aber sehr schwierig sich einen Kompromiss in der Gesundheitspolitik zwischen Kopfpauschale der CDU und Bürgerversicherung der SPD vorzustellen. Da bin ich nicht sehr hoffnungsfroh, dass da große Kompromisse zustande kommen. In den Feldern, wo Feuer und Wasser ist, da wird in der Großen Koalition eher liegen gelassen.

In dieser Woche sind Sie bundesweit in allen Medien mit der Forderung zitiert worden, jeder Bürger zwischen 30 und 50 Jahre sollte sieben Prozent seines Einkommens an die Seite legen, um seinen Lebensstandard im Alter halten zu können. Wo sollen die Menschen das Geld bei steigenden Verbraucherpreisen denn hernehmen?
Prof. Raffelhüschen: Wenn man wenig verdient, dann ist sieben Prozent von wenig auch wenig. Eine Sparquote von sechs oder sieben Prozent kann man schon abverlangen. Der Mensch, der 100 Prozent für Konsum ausgibt, der macht etwas falsch. Die Sparquote der Generation der heutigen Rentner lag im Regelfall zwischen 12 und 13 Prozent. Die Quote bei den 30- bis 50-Jährigen war zuletzt stark abgesackt. Die Kritik klingt nicht danach, als ob wir uns Sparen nicht leisten können: Die ärmeren Schichten heute sind deutlich reicher als die ärmeren Schichten damals. Wir jammern auf einem sehr hohen Niveau - selbst die Ärmeren.

Muss sich da nicht auch die Mentalität der Deutschen ändern? Bei vielen Menschen besteht immer noch ein großes Anspruchsdenken.
Prof. Raffelhüschen: Schauen Sie sich doch die Patchwork-Biografien an, wo manche Leute ihre Weltreise auf die Rente angerechnet haben wollen. Aber diese Suppe werden wir diesen Herrschaften gründlich versalzen.

Wenn Sie ungeschminkt Wahrheiten aussprechen, fühlen Sie sich nicht oft wie der einsame Rufer in der Wüste.
Prof. Raffelhüschen: Ich bin halt kein Politiker. Ich werde nicht wegen dem Überbringen einer schlechten Botschaft geschlachtet. Ich mache das aus wissenschaftlichen Motiven heraus. Ich bin Statistiker, jemand der rechnet. Ich kann nun mal nichts dafür, dass eins plus eins zwei ist. Wenn ich Politiker wäre, würde ich aber nicht so reden, wie ich jetzt rede. Als Politiker könnte ich die Dinge nicht beim Namen nennen. In dem Moment wäre ich ja auch abhängig davon, dass mich jemand wählt. Wir haben ja Belege dafür, dass die Überbringer einer schlechten Botschaft geschlachtet wurden, das war nicht nur im alten Griechenland so, sondern auch in der jüngsten deutschen Vergangenheit. Einen vollkommen ehrlichen Politiker wird es deshalb wahrscheinlich so schnell nicht geben, es sei denn man wählt ihn...

Wenn Sie mit Blick auf die politische und wirtschaftliche Lage drei Wünsche frei hätten, wie würden diese lauten?
Prof. Raffelhüschen: Ein erster großer Wunsch wäre, dass man sich klar macht, in der »Gesundheit« steckt ein Generationenvertrag. Mein Wunsch ist, dass das in der Bevölkerung deutlicher wird. Denn wenn die Bürger wissen würden, dass ein Generationenvertrag vorliegt, dann würde sie auch erkennen, dass da die selben Reformen fällig sind wie bei der Rente. Ein zweiter Wunsch an die sozialen Sicherungssysteme wäre, dass man die Pflegeversicherung abschafft. Der dritte Wunsch ist, dass wir unseren Arbeitsmarkt in den Griff bekommen. Wir müssen unsere Arbeit billiger machen!

Artikel vom 27.01.2006