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Steht die richtige
Diebin vor Gericht?

Freispruch, weil Zeuge nicht völlig sicher ist

Steinhagen/Halle (fn). »Fast bewiesen« heißt vor Gericht »nicht bewiesen«: Amtsrichter Peeter-Wilhelm Pöld machte gestern deutlich, dass auch bei einer vorbestraften Ladendiebin der Rechtsgrundsatz »im Zweifel für die Angeklagte« gilt.

Dabei sprach bei der Verhandlung vor dem Haller Amtsgericht alles gegen die 33-Jährige Russin Deridja A. aus Espelkamp. Gemeinsam mit der 30-Jährigen russischen Asylbewerberin aus Enger, Najda T., war sie am 20. April vorigen Jahres beim Diebstahl im Steinhagener Schlecker-Drogeriemarkt erwischt worden.
Anschaulich schilderte der Ladendetektiv, wie er die beiden Frauen vom Büro aus über Monitor vor dem Kosmetikregal beobachtet hatte. Sie suchten Waren aus, entfernten die Etiketten und steckten alles in die Jackentasche der 30-Jährigen. Dann gingen sie mit jeweils einem kleineren Artikel zur nicht besetzten Kasse. Dies nutzte die andere Täterin, um noch Zigarettenschachteln ebenfalls in die Tasche der 30-Jährigen zu stecken. Jetzt stellte der Ladendetektiv die beiden zur Rede. In der Jacke fanden sich allein 41 Lippgloss-Stifte sowie Wimperntusche und Zigaretten in einem Gesamtwert von 484 Euro: Über ein Loch in der Tasche waren die Waren in das Jackenfutter gerutscht.
Doch waren die anhand der Papiere angezeigten Frauen wirklich die Täterinnen? Rechtsanwalt Dr. Detlev Binder weckte daran Zweifel: »Es gibt eine neue Masche. In Asyslbewerberheimen werden immer wieder Personalpapiere entwendet, mit denen dann Diebstähle begangen werden.« Und in der Tat konnte sich der Detektiv - »ich habe oft fünf solcher Fälle am Tag« - nicht mehr erinnern, ob diese Diebinnen Ausweise mit oder ohne Foto vorlegen konnten. Auch war er sich nur bei der 30-jährigen Frau auf der Anklagebank sicher, die Täterin mit dem Diebesgut vor sich zu haben. Bei der 33-Jährigen aus Espelkamp stellte er ein verändertes Aussehen, besonders bei den Haaren, fest.
Richter Pöld schloss sich der Argumentation der Verteidigung an, dass damit nicht zweifelsfrei sicher sei, ob die Richtige vor Gericht stehe - auch wenn Deridja A. im Jahr 2004 gleich in drei Monaten hintereinander wegen Diebstahls zu Geldstrafen verurteilt worden war, wurde sie nun freigesprochen. Die 30-jährige Najda T. aus Enger - ihre Schuld sah das Gericht als erwiesen an -Êwar ebenso dreifach wegen Diebstahls zu Geldstrafen verurteilt worden. Für sie lautete das Strafmaß am Ende fünf Monate auf Bewährung sowie 500 Stunden gemeinnützige Arbeit oder 500 Euro Geldspende an Amnesty International.

Artikel vom 26.01.2006