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Mittlerin zwischen den Kulturen

Behiye Shemunkasho wirbt in Helfgerdsiedlung für Integration und Verständnis

Von Peter Bollig
Verl-Sürenheide (WB). Als die Aramäerin Behiye Shemunkasho nach Deutschland kam, musste sie sich vor allem erst einmal mit der Sprache vertraut machen, um sich in ihrer neuen Heimat Verl klar verständlich zu machen. Denn die 48-Jährige sprach damals noch Schweizerdeutsch.

Vielleicht war das hierzulande selten gehörte »Grüezi«, mit dem Behiye Shemunkasho ihre Mitmenschen in Verl anfangs grüßte, der Grund dafür, dass diese eher reserviert auf die Aramäerin reagierten. Vielleicht war es aber auch die »ostwestfälische Sturheit«, die sie aus der Schweiz nicht gewohnt war. »Es hat mich jedenfalls geärgert, wie mir manche Leute mit Blicken zu verstehen gegeben haben: ÝWer bist Du überhaupt?Ü«, sagt Behiye Shemunkasho. In der Schweiz, erinnert sie sich, gingen die Menschen mit größerer Freundlichkeit und mit weniger Vorbehalten aufeinander zu. 17 Jahre liegen diese ersten Eindrücke von ihrer neuen Heimat Verl zurück, und inzwischen fühle sie sich hier »sehr wohl«, so die Aramäerin.
Nach dem Tod ihrer Eltern war die in einem anatolischen Dorf geborene Behiye Shemunkasho 1977 von der Türkei in die Schweiz ausgewandert, wo einer ihrer Brüder lebte. »Das war eine gewaltige Umstellung«, sagt die 48-Jährige, die zuvor sieben Jahre in Istanbul gelebt hatte: Von der großen Stadt am Bosporus wechselte sie in einen kleinen Ort in der Schweiz. Um ihren Ehemann Ibrahim zu heiraten, zog sie 1988 zu ihm nach Verl.
Ihre drei Kinder, der 16-jährige Isahk, die zwölfjährige Viktoria und der neunjährige Afrem, haben die Heimat in der Türkei nie kennen gelernt, dennoch ist es den Eltern wichtig, ihren Kindern die christlich-aramäische Kultur nahe zu bringen. So lernen die Kinder von ihrem Vater, der früher als Religionslehrer gearbeitet hat, beispielsweise die aramäische Schrift.
Behiye Shemunkasho ist es aber genauso wichtig, dass ihre Kinder auch die deutsche Sprache und Kultur kennen lernen, und ermuntert sie, auch mit deutschen Kindern Freundschaft zu schließen. Nur mit anderen Aramäern zu tun zu haben, könne sie sich auch für sich selbst nicht vorstellen, erklärt sie. Gerade das habe sie an den Schweizern so geschätzt, dass sie immer freundlich auf andere Menschen zugehen - auch auf die, die sie gar nicht kennen, ganz ohne Vorurteile.
Und dass ihr die Integration nicht nur für sich und ihre Familie am Herzen liegt, zeigt das soziale Engagement der 48-Jährigen. Ehrenamtlich arbeitet sie als Geschäftsführerin im Verein »Libelle« und koordiniert die Aktivitäten in der gleichnamigen Einrichtung als zentrale Anlaufstelle für die Gemeinwesenarbeit in der Helfgerdsiedlung. Immer wieder spricht sie insbesondere ausländische Frauen aus der Nachbarschaft an, versucht sie zu ermuntern, an den Angeboten der »Libelle« teilzunehmen. »Ich versuche Eltern und Kinder dafür zu gewinnen, damit sie sich öffnen und miteinander reden«, sagt Behiye Shemunkasho. Vor allem die Frauen seien oft sehr verschlossen, müssten erst Vertrauen gewinnen. »Es ist wichtig, dass sie lernen, Hilfe anzunehmen, wenn sie Hilfe brauchen.«
Mit ihren Bemühungen hat die Aramäerin offenbar Erfolg. Mit ihren guten Kontakten schafft sie es, Frauen und Kinder aus verschiedenen Kulturkreisen zusammenzubringen. Vor allem die Kinder kämen immer wieder, um die Freizeitangebote wahrzunehmen. Zwischen sechs und 13 Frauen kämen zudem zu den regelmäßigen Treffen in die »Libelle«.

Artikel vom 26.01.2006