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Theater auf
hohem Niveau

»Erotikomische Geschichten«

Von Helga Ruß (Text und Foto)
Herford (HK). Sie hatten kein einziges Requisit, kein Bühnenbild, keine Lichteffekte und keine Ton-Untermalung. Allein durch die Kraft ihrer Sprache, ihrer Ausdrucksstärke, ihrer pantomimischen Fähigkeiten erweckten sie im Herforder Stadttheater die Geschichten aus 1001 Nacht zum Leben.
Ein Glücksfall für Herford: Das märchenhafte Erzähltheater von Patrizia Barbuiani und Markus Zohner begeisterte die Theaterbesucher.

Kein volles Haus, dafür aber ein überaus volles Erlebnis lieferten die Darsteller Patrizia Barbuiani und Markus Zohner von der schweizerischen Markus Zohner Theater Compagnie mit ihrer plastischen Erzählkunst. Und da die viele hundert Jahre alten Geschichten aus dem fernen und nahen Osten die ganze Bandbreite des Lebens umfassen und sie auch manches Pikante enthalten, nannten die Theatermacher ihre Bearbeitung »Erotikomische Geschichten aus 1001 Nacht«, garniert mit einem großen Schuss Humor.
Sie behielten die Struktur der alten Vorlage bei und ließen ihre Geschichten um die Hauptgeschichte ranken, jene Mär vom König Schehrijar, der aus enttäuschter Liebe seine Frau umbringen lässt und daraufhin jeden Abend eine neue Jungfrau zur Frau nimmt, um sie am nächsten Morgen töten zu lassen, bis die schöne und mutige Sheherezad ihn mit verlockenden Erzählungen überlistet und dem grausamen Tun ein Ende bereitet.
Sheherezad erzählt ihm jede Nacht eine Geschichte, die sie im spannendsten Moment abbricht, um sie am nächsten Abend weiter erzählen zu können. So verschiebt der König, neugierig auf den Ausgang der Geschichten, ihre Hinrichtung von Tag zu Tag, bis er sie, nach tausendundeiner Geschichte, schließlich begnadigt und heiratet.
Die Herforder Zuschauer erlebten Theater auf höchstem Niveau, innovativ und avantgardistisch, von großer Intensität und lockerer Flapsigkeit zugleich, eine Inszenierung, die die Phantasie der Zuschauer allein durch die Kraft der Schauspieler beflügelt. Diese setzen eine geniale Mimik und Körpersprache ein, sie sprechen, gurren und lautmalen ganze Geschichten auf die Bühne.
Erstaunlich, welch kleiner Gesten es bedarf, um ganze Ereignisse zu beschreiben, wenn man denn, wie es die beiden Schauspielkünstler beherrschen, die typischsten und viel sagendsten anwendet. Das war minimalistisches Theater auf den Punkt gebracht, augenzwinkernd, und selbst bei den derbsten Aussagen immer noch apart. Die Zuschauer waren begeistert.
Markus Zohner, Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagoge, 1963 in München geboren, gründete vor 20 Jahren in der Schweiz seine inzwischen weltweit preisgekrönte Theater Compagnie. Seine großartige Mitstreiterin, die aus Lugano stammende Patrizia Barbuiani, arbeitet mit ihm für Theaterprojekte zusammen und schreibt überdies Erzählungen, Drehbücher und Romane. Die Darbietungen der beiden Theaterkünstler gerieten zum Glücksfall für Herford, der gern wiederholt werden darf.

Artikel vom 26.01.2006