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Zuschauer mitten
im Getümmel

Inszenierung von »Dantons Tod«

Gütersloh (kh). »War zuerst die Revolution und dann der Jahrmarkt oder erst der Jahrmarkt und dann die Revolution?«. Das fragte Dramaturg Helmut Schäfer. Das Theater an der Ruhr präsentierte am Dienstag in der Stadthalle eine eigenwillige Inszenierung des Georg Büchner Stückes »Dantons Tod«, das neben den Originaltexten auch Passagen aus »Leonce und Lena« sowie »Woyzeck« enthielt.
Die Zuschauer finden sich im Jahrmarkt-Getümmel wieder, Menschen mit Affenmasken bevölkern die Bühne. Im Gegensatz zu den bunten Farben des Jahrmarktes stehen die vier grauen Männer, die etwas am Rande sitzen: Georg Danton (Volker Roos), Camille Desmoulins (Fabio Menéndez), Lacroix (Albert Bork) und Robespiere (Klaus Herzog). Robespiere und Danton wirken alt und erschöpft, beide unterscheiden sich jedoch in ihren Ansichten zur Revolution. »Die Waffe der Republik ist der Schrecken«, erklärt Robespiere, der mit abgehackten Sätzen und ohne Betonung fast maschinenartig spricht.
Im Gegensatz dazu steht Danton, der des Kämpfens müde ist und erkennt, dass die Ziele der Revolution nicht mehr erreicht werden können. Statt der Ideen von Freiheit und Gerechtigkeit gibt es nur einen brutalen Machtkampf. »Die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder«, sagt er denen, die ihn auffordern zu handeln. Nach der Anordnung seiner Verhaftung durch den Wohlfahrtsausschuss erkennt Danton: »Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten an Draht gezogen«. Diese Erkenntnis hat Roberto Ciulli in seiner Inszenierung durch den Jahrmarkt umgesetzt. Immer wieder werden die Protagonisten wie dressierte Zirkustiere in einer Manege vorangetrieben.
Eindrucksvoll stellt das Stück die Todesfahrt nach der Verhaftung von Danton, Desmoulin und Lacroix dar. Wie ein Fährmann in den Hades steuert Robespierre das Boot, in dem die drei Gefangenen liegen. Schließlich ist es soweit, Danton und seine Anhänger werden guillotiniert. Die Zuschauer hören die Guillotine immer und immer wieder fallen. Die Schreckensherrschaft wird in ihrem ganzen Ausmaß deutlich. Aber auch der Schluss des Stückes überrascht, denn Robespiere und der eigentlich geköpfte Danton sitzen einträchtig nebeneinander und rezitieren die letzten Worte aus »Leonce und Lena«.

Artikel vom 26.01.2006