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»Run« auf Theaterkarten in aller Frühe

Am Vorverkaufstag schließt der Hausmeister im Bezirksamt schon um 6.30 Uhr die Türen auf

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). Nichts für ausgemachte Morgenmuffel ist das, was sich jeweils am Montag nach einer Tournee-Theateraufführung zur Morgenstund in den Fluren des Brackweder Bezirksamtes abspielt. Bereits in aller Herrgottsfrühe sitzen dann eingefleischte Theater-Enthusiasten auf den Gängen, warten sehnsüchtig auf Öffnung der »Kasse«, um schon jetzt Karten für die nächste Vorstellung zu erwerben. Und die findet meist erst in vier oder fünf Wochen statt.

»Wer nicht rechtzeitig da ist hat überhaupt keine Chance, eine der begehrten Karten zu ergattern«, sind Monika Kaminski (53) und Klaus Müller (68) überzeugt. Die gehören zu den Stammbesuchern der »Brackweder Kulisse«, jenen Tournee-Theater-Aufführungen in der Aula der Realschule, die sich weit über Bielefeld hinaus einen guten Namen gemacht haben. Seit 25 Jahren praktizieren die beiden Frühaufsteher diese Art des Kartenerwerbs. Und sind damit natürlich nicht allein.
Michael Thoms (45), Hausmeister des Brackweder Bezirksamtes, kennt seine »Pappenheimer«. Auch wenn der freie Verkauf des Kartenkontingentes offiziell erst um 8 Uhr beginnt, die wartende Schlange ist bereits um spätestens 6.30 Uhr so lang, dass »der Mann vom Amt« der Kundschaft die Rathaustore öffnet. »Die Leute können doch nicht in der Kälte oder im Regen stehen«, sagt Thoms der in diesen Momenten regelmäßig in ihm längst vertraute Gesichter blickt. An eisigen Wintertagen schließt er die Türen auch schon mal eine Viertelstunde eher auf. Immer noch nicht früh genug, denn beim letzten Vorverkauf am vergangenen Montag waren die ersten Kartenkäufer schon um 5.45 Uhr da. Dabei läuft alles nach strengem Ritual ab. »Wer zuerst kommt, mahlt auch zuerst. Streit um die Reihenfolge gibt es nicht«, weiß Peter Kentsch (44), der für sich und seine Mutter Hildegard (71) um Karten ansteht und das Verfahren schon seit zehn Jahren kennt. Klar, dass er auf Wunsch auch Karten für Freunde und Bekannte mitbringt, denn das Ausgabekontingent ist nicht beschränkt.
628 Sitzplätze gibt es in der Aula der Brackweder Realschule für die Theater-Aufführungen. Etwa 200 davon kommen in den freien Verkauf. Die anderen sind vergeben an Abonnenten, die alle Vorstellungen der Saison gebucht haben. »Und kaum einer gibt sein Abonnement freiwillig zurück, das wird offensichtlich sogar weiter vererbt«, sagt Angelika Manski (44), im Bezirksamt zuständig für Kartenverkauf und Organisation der Gastspiele, schmunzelnd über das Riesen-Echo der Brackweder Tournee-Theater-Gastspiele.
Kaufen können Freunde des Boulevard-Theaters, in dem immer namhafte und aus dem Fernsehen bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler auftreten, ein Abo nicht so ohne weiteres. »Die Wartezeit liegt bei acht bis zehn (!) Jahren«, räumt der stellvertretende Bezirksamtsleiter Jens Bartsch ein. Und auch dann kann man nicht sicher sein, seinen »Wunschplatz« zu ergattern. So erging es Horst Hörmann (66), der nach sechs Jahren ein Abonnement bekam. »Das habe ich schnell wieder sausen lassen, weil der Platz in der letzten Reihe war.«
Damit es gerecht zugeht, die Karten werden schließlich auch telefonisch angeboten, geht Angelika Manski der Reihe nach vor. Erst wird einer der auf dem Flur Wartenden zum Kartenkauf hereingebeten, dann kommt ein Anrufer dran, und so weiter. Meist ist nach einer halben Stunde alles vorbei. Der Anrufbeantworter meldet »Vorstellung ausverkauft« und auch der ein oder andere vom Gang draußen muss unverrichteter Dinge nach Hause gehen. »Pech gehabt«, nehmen es die Betroffenen gelassen und versprechen sich selbst, beim nächsten Mal »garantiert noch früher« zu kommen.
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte des Brackweder Tournee-Theaters in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, als die damalige Stadt Brackwede mit Einzelveranstaltungen (Liederabend mit Reinhard Mey, Kabarett »Die Wühlmäuse«) begann und Anfang der siebziger Jahre den regelmäßigen Veranstaltungsreigen einführte. Nur ganz selten kommt es vor, dass eine Vorstellung nicht ausverkauft ist. »Meist sind bereits 80 Prozent aller Karten am ersten Tag weg«, sagt Angelika Manski.
»Wir verkaufen zumeist Schauspieler fixiert. Sobald bekannte Namen auf dem Programm stehen, ist die Hölle los.« Das war so bei »Heirat wider Willen« mit Herbert Herrmann, Nora von Collande, Hannelore Cremer (26. Februar) und wird so sein bei »Die Klimbim-Familie lebt« mit Horst Jüssen, Ingrid Steeger, Elisabeth Volkmann (25. März) und »Hotel Suite« mit Monika Peitsch und Günther Schramm (7. Mai). Kartenvorverkauf - siehe oben.

Artikel vom 25.01.2006