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Elfenkönig wird zum Exhibitionisten

»Der Park« von Botho Strauß: irritierende Inszenierung an der Uni-Bühne

Von Andrea Pistorius
Paderborn (WV). Bei Shakespeare lieben sich alle durcheinander. Bei Botho Strauß geht es auch drunter und drüber, doch zur Liebe sind die Menschen nicht mehr fähig. Die Studiobühne der Universität Paderborn zeigt unter der Leitung von Hans Moeller eine irritierende Inszenierung des gesellschaftskritischen Stücks »Der Park« nach Motiven von »Ein Sommernachtstraum«.

Das Elfen-Königspaar Titania und Oberon hat bei Strauß sein idyllisches Dasein in der Natur gegen die nüchterne Erdenwelt der 1980er Jahre eingetauscht, um die Menschen daran zu erinnern, dass es die bedingungslose Liebe gibt und dass Sexualität nur dann wirkliche Erfüllung bringt, wenn sie mit Gefühl und Erotik verbunden ist. Doch die Menschen sind innerlich so versteinert, dass die Botschafter aus dem Reich der griechischen Mythologie zwangsläufig scheitern müssen.
Regisseur Moeller schickt Titania und Oberon als Exhibitionisten auf die Welt und lässt sie, versehen mit übergroßem Busen und Penis aus Schaumstoff unterm Ledermantel, im Stadtpark auf die Menschen los. Dass ihr Werben für die wahrhaftig empfundene Liebe auf diese Weise nicht gelingen kann, verwundert den Zuschauer nicht. Titania verfällt, durch einen Zauber an ausschweifenden Lustbarkeiten gehindert, dem Wahnsinn, und Oberon resigniert; er verabschiedet sich von seiner Elfenexistenz, um als selbst auferlegte Buße für das Scheitern seiner Mission unter den unglücklichen Menschen zu leben.
Botho Strauß hält mit seinem Stück dem Publikum einen Spiegel vor, es mag sich selbst als Teil dieser emotional verarmten Zeit betrachten, in der Geld und Macht mehr zählen als Menschlichkeit. Dass er dafür Shakespeare bemüht, ist schade: Der »Sommernachtstraum« ist von zeitloser Aktualität und bedarf keiner Modernisierung, eine Gesellschaftsgroteske daraus zu machen, ist nur ärgerlich. Seine Botschaft hätte Strauß auch auf anderem Wege transportieren können.
Hans Moeller hatte die fürwahr nicht leichte Aufgabe, das klassische Drama und seine Bearbeitung durch Strauß in eine geschlossene Form zu bringen. Er wählte dafür die Übersteigerung des ohnehin schon absurden Stoffs. In einer gut zweistündigen Abfolge kurzer Episoden erhält der Zuschauer Einblick in das Leben von ganz alltäglichen Menschen, die unfähig sind zu lieben, geschweige denn zu kommunizieren. Das geschlossen agierende 15-köpfige Ensemble ist überwiegend rennend, schreiend, hysterisch lachend oder spastisch zuckend zu erleben; mit vollem Körpereinsatz übernimmt es die Stellvertreterschaft für eine dekadente Gesellschaft. Enorme Wandlungsfähigkeit beweisen die Darsteller in der Schluss-Episode, in der sie gealtert ihre gewohnten Beziehungsmuster pflegen.
Des Rätsels Lösung in dem verwirrenden Spiel mag sein, dass Titanias Sohn einen Pferdefuß hat.

Artikel vom 21.01.2006