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Zeitgeschichte direkt
aus erster Hand

Hochkarätige Rotary-Veranstaltung


Rahden/Lübbecke (ee). »War die Maueröffnung ein Zufall?« Diese Frage ist seit Donnerstag beantwortet. Sie war es nicht. Sie war vielmehr die Konsequenz aus einem zerfallenden Staatsgefüge namens DDR. Zu diesem Fazit kommt Ex-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski, der auf Einladung des Rotary Clubs Lübbecke vortrug. 77 Jahre ist er alt. Die sieht man ihm nicht an. Der Mann mit bewegtem Lebenslauf - vom früheren Chefredakteur des Neuen Deutschland bis hin zum Häftling wegen des Schießbefehls an der Mauer - ist bekannt geworden durch seine Äußerung (»unbeschränkte Ausreise sofort möglich, die Mauer fällt«) am 9. November 1989. Wie es dazu gekommen war, schilderte Schabowski vor 250 Rotariern und geladenen Gästen in der Stadthalle. Zeitgeschichte aus erster Hand versprachen Rotary-Präsident Georg Droste und Dr. Jürgen Weitkamp, der den Besuch Schabowskis vermittelt hatte, den Zuhörern. Es war kein leeres Versprechen. Präzise, dynamisch und vor allem authentisch ließ der Zeitzeuge die Geschehnisse um den Niedergang des Arbeiter- und Bauernstaates Revue passieren. Gorbatschow, Perestroika, Honnecker, Montags-Demos und Mauerfall - Nomenklatur und Mosaiksteinchen passten zusammen. Schabowski berichtete über die geheimen Sitzungen des Politbüros, über die Unzulänglichkeiten der DDR- Staatsführung. Garniert mit vielen autobiografischen Momenten. Und immer dann, wenn er in Berliner Mundart verfiel, spürten die Zuhörer: dieser Mann lebt Geschichte - auch heute noch, 16 Jahre danach. Anhaltender Applaus nach 70-minütigem Vortrag für eine brillante Analyse.

Artikel vom 21.01.2006