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Kolbus setzt auf den Standort Rahden

Bis zum Jahr 2007 plant das heimische Unternehmen Investitionen in Höhe von 15 Millionen Euro

Rahden (WB). Kolbus und Rahden - diese beiden Namen sind seit mehr als 100 Jahren eng miteinander verbunden. Der größte Arbeitgeber der Stadt wird von der Bevölkerung ganz genau beobachtet. Denn wie heißt es so schön in der Auestadt: »Wenn Kolbus hustet, bekommt Rahden die Grippe.« Und unter diesem Aspekt sind gute Nachrichten aus dem Traditionsunternehmen gute Nachrichten für Rahden. Wie der weltweit operierende Produzent von Buchbindemaschinen zurzeit wirtschaftlich da steht, darüber sprach WESTFALEN-BLATT-Redakteurin Elke Bösch mit Geschäftsführer und Gesellschafter Kai Büntemeyer.

Herr Büntemeyer, seit Jahren stehen Sie an der Spitze des Unternehmens, das auch schon kritische Situationen meistern musste. Anfang der 90-er Jahre wurde ein Zweigwerk in Bassum geschlossen, im Stammbetrieb in Rahden kam es zu Entlassungen. Wie hat Kolbus es geschafft, die Krise zu bewältigen?
Kai Büntemeyer: Eigentlich war es recht einfach. Ende 1997 wurde ein schwer erreichbares, aber leicht verständliches Ziel festgeschrieben: Unbedingte Weltmarktführerschaft im Tätigkeitsfeld des Unternehmens. Das Ziel wurde dann nicht marktschreierisch publiziert, aber alle Dispositionen der Geschäftsführung diesem konsequent untergeordnet, indem etwa 1997/1998 in wenigen Monaten die Kapazität um 50 Prozent gesteigert wurde. In der über Jahrzehnte aufgebauten Mannschaft steckte das Erfolgspotential, es musste zur Entfaltung gebracht werden.

2005 konnte Kolbus 20 Prozent Wachstum und einen historischen Produktionsrekord vermelden. Worin sehen Sie diesen Erfolg begründet?
Kai Büntemeyer: Eine Periode ungewöhnlich günstiger Konjunktur hat uns vorbereitet getroffen. Wie eingangs gesagt, seit inzwischen acht Jahren arbeitet das ganze Unternehmen konsequent für die Ausweitung unserer Verkaufserfolge. Wenn dann unsere weltweite Kundschaft Mut zum Investieren fasst, kommt die Maschinerie mächtig in Fahrt.

Anlässlich der Jubilarfeier im Dezember haben Sie von einer Verdoppelung des Geschäftes gesprochen. Um welche Umsätze geht es aktuell?
Kai Büntemeyer: Die Maschinenfabrik mit ihren Standorten Rahden und Krostitz/Sachsen hat die Marke von 130 Millionen Euro Umsatz überschritten. Das bedeutet eine Verdopplung in den genannten acht Jahren. Übrigens beliefert die Maschinenfabrik inzwischen überwiegend Händler innerhalb der Kolbus-Gruppe, so dass der Konzernumsatz noch um einiges höher liegt.

Kolbus hat im September 2005 in Rahden ein neues Entwicklungsbüro eingeweiht. 140 Arbeitsplätze sind so entstanden. Warum setzten sie auf diesen Standort?
Kai Büntemeyer: Es ist zu betonen, dass die 140 Arbeitsplätze im Laufe von Jahrzehnten entstanden sind, wenn auch mit einer deutlichen Beschleunigung in den letzten Jahren. Trotzdem war die Einrichtung des neuen Entwicklungsbüros ein wichtiges Signal, ein klarer Beweis für unseren Optimismus. An den Standort sind wir gebunden, weil dieser der Lebensmittelpunkt unserer Familien ist. Kolbus mit seiner ungewöhnlich geringen Fluktuation beim Personal ist eine verschworene Gemeinschaft. Kolbus besteht aus seinen Mitarbeitern und die hängen an ihrer Heimat. Wir haben auch das Gefühl, in Rahden willkommen zu sein, die Zusammenarbeit mit der Stadt ist aus unserer Sicht hervorragend. Ich kann aber nicht verschweigen, dass wir die Belastung mit Steuern und Abgaben in Deutschland als sehr unfair empfinden. Diese ist der einzige Grund, warum wir überhaupt Wettbewerber aus dem Ausland ernst nehmen müssen.

Sind noch weitere Investitionen geplant und wenn ja, in welcher Höhe und in welchem Zeitraum?
Kai Büntemeyer: 2006 und 2007 geht es flott voran, ich hoffe bis zum Sommer 2007 bis zu 15 Millionen Euro zu investieren.

Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze bedeutet das?
Kai Büntemeyer: Wir könnten dann bis zu 100 zusätzliche Kräfte einstellen. Das wird jedoch vom Konjunkturverlauf abhängen und könnte auch durchaus unterbleiben.

Herr Büntemeyer, schreibt Kolbus schwarze Zahlen?Kai Büntemeyer: Ja.

Wie sieht die Auftragslage kurz und mittelfristig aus.
Kai Büntemeyer: Eine mittelfristige Auftragslage gibt es in unserem Geschäft schon lange nicht mehr. Kurzfristig ist sie sehr gut und die mittelfristige Perspektive ist freundlich.

Welche Umsätze sind für die kommenden Jahre angestrebt und realistisch?
Kai Büntemeyer: Wir könnten in Rahden noch einmal das Doppelte produzieren, wenn der Bedarf am Weltmarkt sich einstellen sollte. Realistisch sind 50 Prozent Zuwachs bis 2011, wenn die Konjunktur freundlich ist. Ich muss aber gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass das Unternehmen auch eine mehrjährige Flaute überstehen könnte, ohne Wachstum und mit zwischenzeitlichen Rückgängen.

Basiert der weltweite geschäftliche Erfolg auch auf den hohen Standard im Bereich Ausbildung, dem bei Kolbus traditionell ein hoher Stellenwert beigemessen wird?
Kai Büntemeyer: Ohne unser Ausbildungswesen mit seiner Qualität und seiner Größe wäre Kolbus nicht denkbar.

Wie viele Auszubildende beschäftigt das Unternehmen und welche Chancen haben die jungen Menschen auf eine Übernahme?
Kai Büntemeyer: Zurzeit haben wir 164 Auszubildende und Umschüler. Die Perspektiven für eine Übernahme sind gut, aber eine Übernahme ist nicht garantiert. Eine Kombination unglücklicher Umstände kann einen Jahrgang mit geringer Übernahmequote auslösen. Glücklicherweise ist das seit Jahren nicht passiert.

Wie hat sich die Zahl der Mitarbeiter in den vergangenen Jahren entwickelt?
Kai Büntemeyer: Am Tiefpunkt Ende 1997 hatte die Maschinenfabrik 935 Beschäftigte, heute sind es 1135.

Wie hoch sind die Belegschaften in ihren Tochtergesellschaften in den USA, in Großbritannien, Hongkong und Japan sowie im Zweigwerk in Krostitz/Sachsen?
Kai Büntemeyer: Die 20 Krostitzer zählen mit zur Maschinenfabrik in Rahden. Im Ausland haben wir in USA und China etwa 50 Leute, in Japan und Großbritannien etwa 20, in Frankreich ein Dutzend und in Finnland, Dänemark, Polen, Slowakei sowie in Belgien jeweils nur eine Handvoll Mitarbeiter.

In welchen Geschäftsbereichen sind diese Firmen aktiv?
Kai Büntemeyer: Alle Auslandsgesellschaften betreiben Maschinenhandel und -service, übrigens nicht nur mit Kolbus-Maschinen.

Trotz der guten Zahlen agieren Sie sehr vorsichtig und beziehen auch mögliche Konjunkturflauten in ihre Zukunftsprognosen mit ein. Was genau wollen sie den Widrigkeiten in der weltweiten Wirtschaft entgegensetzen?
Kai Büntemeyer: Wir haben gelernt, sehr schnelle Kapazitätsanpassungen vorzunehmen. So könnten wir innerhalb von 90 Tagen den Ausstoß um 30 Prozent reduzieren und dann die Belegschaft ein gutes Jahr halten. Wir sind da recht robust. Gegebenenfalls muss man dann auch ein paar Entlassungen akzeptieren. Ich halte das für besser, als vor lauter Angst die Arbeitsplätze gar nicht erst zu schaffen. Allerdings möchten wir genau deshalb noch weiter wachsen, weil wir damit noch größere Sicherheit bei Konjunkturkrisen zu erreichen glauben. Dazu darf man aber auch nicht zu groß werden.

Wie viele verschiedenen Modelle von Buchbindemaschinen bietet Kolbus zurzeit an?
Kai Büntemeyer: Es gibt vier Produktgruppen mit je zwei bis vier Grundmaschinen mit wiederum bis zu zwölf Varianten. Kein Mensch hat je ermittelt, wie viele mögliche Maschinen das ausmacht. Es werden so etwa 50 sein. Eine andere Zahl fasziniert mich mehr. Wir benötigen für unser jetziges Programm etwa 90 000 verschiedene Bauteile und Artikel, um alle Maschinen zusammenbauen zu können.

Die Konkurrenz, gerade in den so genannten Billigländern, schläft nicht. Wie will Kolbus diesen Herausforderungen begegnen?
Kai Büntemeyer: Wir lassen unseren Wettbewerbern möglichst wenig Zeit, Alternativen zur Entfaltung zu bringen, bevor wir ein Produkt durch ein neues ersetzen. Wir bauen regelmäßig Maschinen, von denen die ganze Welt weniger als 100 Einheiten benötigt. Trotzdem arbeiten wir konsequent mit der Maßgabe, dass unsere Arbeit auch absolut international preiswürdig sein muss, und das ist sie. Allerdings erfordert es ständige Konzentration und Anstrengung, jeder bei uns spürt da ständig den Wettbewerb.

Welche Länder sind zurzeit Hauptabsatzmärkte für Kolbus-Maschinen?
Kai Büntemeyer: Die EU, Nordamerika, China, Japan, Russland, Südafrika und Australien. Dann kommen die »Sonstigen«. Deutschland liegt unter 10 Prozent, die EU bei 50 Prozent.

Wo sehen sie gute Chancen, noch stärker ins Geschäft zu kommen?
Kai Büntemeyer: Wir setzen zu 20 Prozent auf eine weitere Stärkung unserer Marktposition, zu 30 Prozent auf neue Produkte und zu 50 Prozent auf zunehmenden Wohlstand in der Welt. Mein Traum ist, dass jeder Mensch auf der Erde so gut mit Büchern versorgt wird, wie ich es aus dem Deutschland der 60er-Jahre in Erinnerung habe.
Dafür müssten wir Kolbus noch einmal verdoppeln und die Maschinen 50 Prozent schneller machen.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch eine persönliche Frage stellen. Ist ihre Zukunftsplanung weiterhin mit der Firma Kolbus verbunden?
Kai Büntemeyer: Ich bin jetzt im dritten Jahr Gesellschafter und dementsprechend praktisch untrennbar mit Kolbus verbunden.

Herr Büntemeyer, vielen Dank für dieses Gespräch.

Artikel vom 21.01.2006