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Fristloser Überlebenskampf

Hedwig Reckendrees Zeit nach der Kreditsperre

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Mit dem Tag der fristlosen Kündigung des Darlehns-Vertrages durch die Sparkasse Gütersloh beginnt für Hedwig Reckendrees (58) ein Überlebenskampf. Die Unternehmerin hat keine Einnahmen mehr, ihre Bankkarte wird eingezogen, sie kann ihre Krankenkassenbeiträge nicht mehr bezahlen. Und die Sparkasse weigert sich mitunter sogar, Kontoauszüge herauszugeben.

Dass die Vertragskündigung rechtswidrig ist, wird das Landgericht erst drei Jahre später entscheiden. Gegen das Urteil will die Sparkasse Berufung einlegen. Immerhin: Im Juni 2005 hebt das Geldinstitut die Zwangsverwaltung ihrer Grundstücke und Immobilien auf. Von diesem Zeitpunkt an fließen ihr zumindest wieder die Mietzahlungen der Bertelsmann-Firmen zu, die stets pünktlich, zuverlässig und genug überwiesen haben, um den Zins- und Tilgungsdienst zu bedienen.
Wie aber hat die allein stehende Unternehmerin die Zeit dazwischen bewältigt? »Ich wohne im Haus meiner Eltern. Da wurde zumindest schon mal keine monatliche Miete fällig.« Notwendige Instandsetzungsarbeiten wurden verschoben. Reckendrees verkaufte Unternehmensanteile, um ihren Kühlschrank füllen zu können, um Kleidung und Schuhe zu kaufen. Ansonsten: »Verzicht. Konzentration auf das absolut Lebensnotwendige.« Manchmal reichte das nicht. Als der Strom über ein Erdkabel ins Haus gespeist werden sollte, musste sie einen Elektriker rufen: »Ich bat, die Rechnung zu stunden. So ging es Tag für Tag.«
Freunde, Bekannte und Geschwister leihen ihr das Geld, das sie braucht, um sich wehren zu können. Die Vernetzung im überregionalen Verband der Unternehmerinnen erweist sich als Segen. Als sie einmal eine Teilnahme an einem interessanten Seminar absagt, weil sie die Fahrt zum Tagungsort nicht mehr bezahlen kann, erfährt sie eine Unternehmern eher unbekannte Zuwendung. Die Frauen im Verband hören zu, zahlen ihr die Teilnahmekosten, organisieren Anwälte und Finanzexperten. Über diese Kontakte landet sie beim Hannoveraner Rechtsanwalt Ernst-August Bach, der sich auf die Verteidigung düpierter Bank-Kunden spezialisiert hat. Der habe - im Gegensatz zu Gütersloher und Bielefelder Kollegen - nicht erst einmal eine Vorauszahlung von mehreren tausend Euro verlangt. Über den Anwalt wiederum lernt sie weitere Kunden aus Deutschland kennen, die schlechte Erfahrungen mit ihren Banken gemacht haben.
Im Gespräch verliert Hedwig Reckendrees kein böses Wort über die Sparkasse. Nur vom Verwaltungsrat sei sie enttäuscht. Dem habe sie ihren Fall geschildert, doch auf eine eigene Prüfung sei verzichtet worden. Sobald die Prozesse überstanden seien, möchte sie Start-Up-Unternehmen fördern: »Es geht um Arbeitsplätze. Das ist das Wichtigste.«

Artikel vom 21.01.2006