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Eine Wochenstube für Fledermäuse

Lebensraum für »Großes Mausohr« in Rahdener Kirche vertraglich gesichert

Von Sandra Knefel (Text und Fotos)
Rahden (WB). Der Dachstuhl der Rahdener St. Johannis-Kirche beherbergt Bewohner der besonderen Art: Etwa 150 Exemplare des »Großen Mausohrs« nutzen ihn als Wochenstube. Nun ist ein Vertrag zur Sicherung dieses Lebensraums unterzeichnet worden.

Die evangelische Kirchengemeinde Rahden, die Bezirksregierung Detmold und der Kreis Minden-Lübbecke hatten auf freiwilliger Basis vereinbart, den Erhalt der Fledermauswochenstube durch einen Vertrag sicherzustellen. Gemeinsam will man sich weiter um die Sicherung dieses Quartiers kümmern. Dabei geht es auch darum, eine Beunruhigung der Tiere zu vermeiden: Der Dachstuhl sollte nicht betreten werden.
Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl und Landrat Wilhelm Krömer waren nach Rahden gekommen, um gemeinsam mit Pfarrer Körling Lansky als Vertreter der Kirchengemeinde Rahden den Vertrag zur Sicherung der Fledermauswochenstube zu unterzeichnen. »Mir liegt der Umweltschutz sehr am Herzen«, so Thomann-Stahl während des Treffens im Gemeindehaus. »Der Erhalt des Fledermausquartiers ist eine sehr wichtige Angelegenheit.« Die Kirche beherberge einen seltenen Naturschatz, so die Regierungspräsidentin, daher sei es nötig, den Fledermausschutz bei allen Aktivitäten im Bereich des Kirchengebäudes zu beachten. Sie dankte der Kirchengemeinde, die als guter »Vermieter« auch in der Vergangenheit viel Verständnis für den Erhalt der Wochenstube gezeigt habe. Der Gemeinde sei es zu verdanken, dass das »Große Mausohr« ein Heim unter dem Kirchendach gefunden worden sei. Die Bezirksregierung werde dem Kirchenkreis mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Das Fledermausvorkommen in der St. Johannis-Kirche ist von europäischer Bedeutung. Das »Große Mausohr« gilt als die größte der in Deutschland heimischen Fledermausarten. Seit etwa drei Jahrzehnten dient die Kirche dieser Art schon als Wochenstube. Von April bis Oktober ziehen die Weibchen hier ihre Jungen groß, bevor sie sich in die Winterquartiere, beispielsweise in die Stollen des Wiehengebirges, zurückziehen. Kirchmeister Manfred Bollhorst entfernte in den 70-er Jahren einen Draht, der die Einfluglöcher der Fledermäuse versperrte und machte so die Ansiedlung möglich. »Schon in meiner Kindheit habe ich mich für diese Tiere interessiert«, berichtet Bollhorst.
Alle in Deutschland vorkommenden Fledermausarten stehen unter besonderem Schutz der europäischen Fauna-Flora-Habitat (FFH) Richtlinie und gehören nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu den streng geschützten Arten. Sie dürfen an ihren Lebensstätten nicht gestört, vertrieben oder auf andere Art beeinträchtigt werden. Quartiere mit vielen Tieren - wie das in Rahden - sind besonders schutzwürdig und schutzbedürftig. Sie wurden zum Erhalt dieser Art als FFH-Gebiete an die Europäische Kommission gemeldet.
Die Kirchengemeinde sei stolz auf dieses beachtens- und erhaltenswerte Ereignis, betonte Lansky. Der Vertrag zum Naturschutz in der Kirche sei ein absolutes Novum im Kirchenkreis Lübbecke. »Wir werden dafür sorgen, dass der Dachboden eine sichere Arche für diese regelmäßigen Zuhörer der Gottesdienste bleibt.« Auch im Namen des Presbyteriums dankte Lansky der Bezirksregierung und der Stadt Rahden für die vertragliche Sicherung.
Landrat Wilhelm Krömer unterstrich ebenfalls den Stellenwert des Rahdener Fledermausquartiers. »Es ist zwar das kleinste FHH-Gebiet, aber eines der besonderen Art: Es ist das größte Wochenstubenvorkommen im Kreis Minden-Lübbecke.« Dank des Verständnisses und des Engagements des Kirchenkreises habe man aktiv zum Erhalt der Fledermaus beitragen und den Tieren ein gutes Zuhause geben können, so der Landrat.
Auch Superintendent Dr. Rolf Becker freute sich, dass das Engagement für die Tiere möglich ist. »Es erfreut , dass es Menschen gibt, die die Natur in den Vordergrund stellen.« Es sei für den Kirchenkreis eine Ehre, der Pflicht zum Naturschutz auf diese Weise nachkommen zu können.
Eingeladen war auch Fledermausexperte Alfred Benk, Leiter der Zoologischen Abteilung Niedersachsen, der anhand von Dias Wissenswertes über das »Große Mausohr« vortrug. Benk stellte sich für Vorträge in den Schulen zur Verfügung, um Schüler und Lehrer mit in den Fledermausschutz einzubeziehen. Doch nicht nur der Schutz der Wochenstube ist für den Erhalt des »Großen Mausohrs« notwendig. Auch die Sicherung ihrer Jagdgebiete ist wichtig. Die Buchenwälder, in denen sie Nahrung finden, bietet ihnen der Rahdener Raum - darum fühlen sie sich auch so wohl.

Artikel vom 20.01.2006