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Der Vater eines
Opfers vermisst Zivilcourage

Keiner sieht entkleidete Kinder

Bad Oeynhausen (hil). »Erforderliche Härte« gegenüber den Räubern, die Kinder und Jugendliche überfallen, vermisst ein Vater der Kinder, die am Samstagabend in Werste mit der Pistole bedroht und ausgeraubt wurden. Völlig unverständlich sei für ihn auch, dass Autofahrer um die Uhrzeit - gegen 20.15 Uhr - nichts bemerkt haben wollen.

Gleich zweimal hatten an diesem Abend zwei Täter im Alter von 20 bis 25 Jahren Kinder und Jugendliche ausgeraubt (WESTFALEN-BLATT 17. Januar). »Nach Aussagen von mehreren mir bekannten Opfern weiß ich, dass die ersten überfallenen Kinder sich bis auf die Unterwäsche ausziehen mussten. Und das will niemand beobachtet haben?«, schreibt der Vater in einem Brief an das WESTFALEN-BLATT. Auf der Werster Ringstraße sei um die Uhrzeit sicherlich noch so manches Auto unterwegs gewesen. »Wenn entkleidete Kinder mit vorgehaltener Pistole auf dem Bürgersteig stehen, scheint das wohl niemanden der Vorbeifahrenden zu beunruhigen. Courage? Fehlanzeige!«
Dass die Kinder Hose, Jacke und Schuhe ausziehen mussten, das bestätigte gestern auch die Polizei. »Die Täter haben die Sachen nicht mitgenommen. Die Kinder konnten sie wieder anziehen«, sagte Polizeisprecher Ralf Steinmeyer.
Auch während des zweiten Überfalls sollen nach Auskunft des Vaters mindestens zwei Fahrzeuge vorbeigefahren sein: »Eines der Opfer meinte, jemanden auf einem Balkon bemerkt zu haben. Wieder hat sich aber nichts getan.« Die Täter seien gemächlich mit einer Kiste Bier und einer Plastiktüte, in der sich das Diebesgut befunden habe, von dannen gezogen. »Die Polizei wurde alarmiert, von wem auch immer, und sie war schnell vor Ort. Ein Versuch der Verfolgung wurde nach Eindruck der geschockten Opfer nicht gemacht«, sagt der Vater.
Dies konnte der Polizeisprecher jedoch nicht bestätigen: »Wir waren mit mehreren Streifenwagen und Zivilfahrzeugen unterwegs. Wir haben sogar Unterstützung aus Minden und Lübbecke bekommen«, berichtet Ralf Steinmeyer.
Von zu Hause aus sei später, so berichtet der Vater außerdem, auf einem der gestohlenen Handys angerufen worden: »Tatsächlich nahm jemand ab. Die Polizei wurde sofort unterrichtet, aber eine Handy-Ortung gab es nicht.« Eine Ortung, so der Polizeisprecher, sei so schnell, wie der Vater sich das vorstelle, nicht möglich. Rechtliche Bestimmungen müssten berücksichtigt werden. Derzeit würden die Opfer 350 Polizeifotos sichten, um eventuell einen oder beide Täter zu identifizieren. Ansonsten werde ein Phantombild erstellt.
Die Vorwürfe des Vaters aber richten sich vor allem gegen die Verantwortlichen von Stadt und Staat: »Was muss denn noch in Bad Oeynhausen passieren, bevor den Machenschaften einiger zugereister Mitbürger mit der erforderlichen Härte Einhalt geboten wird? Soll sich die Überzahl der unbescholtenen Spät-Aussiedler zusammen raufen und die Gewalttäter unter ihnen zur Raison bringen? Soll sich vielleicht eine Bürgerwehr gründen, damit noch mehr Polizeistellen eingespart werden können?«

Artikel vom 19.01.2006