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Kein Protest
gegen die
Protestaktion

Patienten zeigen Verständnis

Von Judith Frerick
Harsewinkel (WB). Das Wartezimmer war gestern zeitweise verwaist, das Telefon schrillte nur selten. »Die leere Praxis ist der Beweis dafür, dass die Patienten hinter uns und unseren Forderungen stehen«, machte der Harsewinkeler Arzt Dr. Karl Jürgen Hüning deutlich. Der Mediziner übernahm mit Dr. Uwe Horstmeier und Dr. Peter Jünger die Notfallversorgung, während sich alle anderen Kollegen aus Harsewinkel erstmals an der bundesweiten Protestaktion in Berlin beteiligten.

»Auch unseren Patienten gefällt es nicht, wenn wir ständig nachrechnen müssen. Es muss endlich Schluss sein mit der Rationalisierung auf dem Rücken der Patienten«, ärgerte sich der dienstälteste Arzt in Harsewinkel, Dr. Hüning, im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT über die Gesundheitspolitik der Regierung. Und daher würden es die Bürger hinnehmen, wenn an einem Tag die Praxen - bis auf die Notfallversorgung - komplett geschlossen blieben. In Harsewinkel gab es also keine Proteste gegen die Protestaktion der Ärzte. »Es ist doch erfreulich, wenn sich die Bürger mit uns solidarisch erklären«, freute sich der Mediziner.
Wieder ganz ernst wurde Dr. Hüning, als er über die »katastrophale Lage der Ärzte« sprach: »Wenn man nur alleine den Verdienst betrachtet, dann liegen die deutschen Mediziner europaweit an zweitletzter Stelle. Allerdings geht es ja nicht nur um die Gehälter, sondern auch um die zunehmende Bürokratie, in der wir zu versinken drohen. Hier müssen Formulare ausgefüllt werden, dort fehlt eine Dokumentation - diese Welle der Verwaltung hat sich zu einem Ungetüm entwickelt. Damit uns all das nicht über den Kopf wächst, müssen wir dies in unserer Freizeit abarbeiten«, machte Dr. Hüning deutlich. Früher habe man mit wesentlich weniger Personal mehr technisch aufwändige Untersuchungen durchgeführt. »Und trotzdem stellen wir fest, dass unsere Angestellten mit dem Mehr an Verwaltung nicht mehr fertig werden«, so der Facharzt, der endlich wieder »den Kopf für die wichtigen Dinge eines Mediziners frei haben möchte«.
Je nach Ausgang der gestrigen Protestaktion behalten sich die Harsewinkeler Mediziner vor, ihre Praxen noch einmal am Mittwoch, 29. März, zu schließen. »Das müssen wir dann aber noch einmal mit allen Kollegen zusammen abstimmen«, gab sich Dr. Hüning kämpferisch.

Artikel vom 19.01.2006