18.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Wie durch ein Wunder überlebt

Beinahe tödlicher Rodelunfall

Von Horst-H. Griepenstroh
Oberbauerschaft (WB). Den 30. Dezember 2005 wird Tobias B. (23) aus Kirchlengern in seinem Leben wohl nie vergessen. An diesem Tag war er mit seinem Freund nach Oberbauerschaft gefahren, um dort im Berg zu rodeln. Dabei verlor er in einer leichten Kurve die Gewalt über seinen Rodelschlitten, raste in einen Haufen herumliegender Äste und rammte sich einen etwa drei bis vier Zentimeter dicken Ast gut 50 Zentimeter tief in den Bauch.

Wie durch ein Wunder wurden weder Blutgefäße noch lebenswichtige Organe verletzt. In einer spektakulären Aktion wurde der schwer verletzte Mann in das Lübbecker Krankenhaus gebracht und operiert. Ende vergangener Woche war er soweit genesen, dass er nach Hause entlassen werden konnte.
»Der Mann hat entweder gleich mehrere Schutzengel gehabt oder mindestens einen Erzengel«, so gestern Dr. Uwe Werner, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Lübbecker Krankenhaus und ärztlicher Direktor, im Gespräch mit der LÜBBECKER KREISZEITUNG. Und auch für Notärztin Rosemarie Sthapit, die den schwer verletzten jungen Mann vor Ort versorgte, war dieser Einsatz alles andere als Routine.
Der Unfall, der für den 23-Jährigen leicht tödlich hätte enden können, ereignete sich gleich zu Beginn dieses Rodelnachmittages etwa gegen 14.30 Uhr im Oberbauerschafter Berg. »Ich konnte dem Holzhaufen nicht mehr ausweichen, und plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz«, erinnert sich Tobias. Sein Freund war schon vorausgerodelt, rannte aber sofort wieder den Berg hinauf, als er sah, was sich ereignet hatte. Glücklicherweise hatte er ein Handy dabei, um den Rettungsdienst zu verständigen. Besatzung des Rettungswagens hatte jedoch Mühe, den Verletzten zu finden, denn die Ortsangaben waren nicht präzise genug. Außerdem konnten sie mit ihrem Fahrzeug nicht direkt bis an den Unfallort heran. So vergingen wohl anderthalb Stunden, bis die Rettungssanitäter den Verletzten schließlich fanden und sofort den Notarzt alarmierten. Und auch Notärztin Rosemarie Sthapit und ihr Team konnten mit den Notarztwagen nicht bis zum Unfallort fahren. Ein Anlieger brachte sie mit seinem Geländefahrzeug dorthin. Sie fand den verletzten Rodler, dem der Ast in die Leiste eingedrungen war, bei vollem Bewusstsein. Wie tief der Ast allerdings im Bauch steckte, wusste sie nicht. »Der Freund stand vor Kälte zitternd neben dem Verletzten. Er hatte seine Jacke ausgezogen, um ihn zu wärmen, und damit das einzig Richtige getan«, so die Notärztin. Um den Verletzten bergen zu können, wurde die Hüllhorster Feuerwehr eingesetzt, die den jungen Mann etwa einen Kilometer weit mit einer Vakuummatratze bis zum Notarztwagen trug. Nach einer ersten Versorgung wurde er schließlich in das Lübbecker Krankenhaus gebracht.
»Wir sahen zwar, wo der Ast in den Körper eingedrungen war, wussten aber nicht, wie tief«, so Dr. Werner, der die mehrstündige Operation leitete. Erst eine Computertomographie gab Klarheit. Der Ast war durch den gesamten Körper gedrungen, hatte zwei Rippen gebrochen und war am Rücken tastbar. Der gesamte Bauch musste geöffnet werden, doch der Ast ließ sich nicht entfernen. »So blieb uns nichts anderes übrig, als den Ast gleich zwei Mal im offenen Bauch abzusägen«, so Dr. Werner.
Wie durch ein Wunder waren weder Gefäße noch lebenswichtige Organe verletzt worden, lediglich der Dünndarm war durchtrennt. Der Ast hatte die Hauptschlagader nur um wenige Millimeter verfehlt, war direkt oberhalb der Bauchspeicheldrüse und unmittelbar unterhalb der Milz, etwa drei Millimeter an der linken Niere vorbei bis an die Rippen vorgedrungen.
»Das größte Problem waren die Verunreinigungen, denn es befanden sich Stoffreste von der Jeans des Verletzten im Bauch und auch das Durchsägen des Astes hinterließ Spuren«, erklärte Dr. Werner. Doch alle Verunreinigungen wurden gründlich beseitigt und eine Kontrolloperation am nächsten Tag bestätigte die Ärzte in der Gründlichkeit ihrer Arbeit.
Tobias B. erholte sich schnell und mittlerweile zeugen nur noch zwei Narben an seinem Körper von diesem folgenschweren Rodeltag. Die Frage der Notärztin, ob er wieder einmal rodeln gehen wird, hat der junge Kirchlengerner allerdings nicht eindeutig beantwortet.

Artikel vom 18.01.2006