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Behinderte kämpft gegen Krankenkasse

Doris Meier benötigt Elektro-Rollstuhl

Von Ingo Schmitz
Lüchtringen (WB). Doris Meier ist vom Leben hart geprüft. Auch wenn die 61-Jährige aus Lüchtringen offenbar stets auf der Schattenseite des Lebens steht, hat sie ihren Mut nicht verloren. Dies gilt auch für ihren Kampf gegen den »Amtsschimmel«. Denn obwohl die zu 100 Prozent Gehbehinderte eine versteifte Hand hat, ist ihre Krankenkasse nicht bereit, einen Elektrorollstuhl zu finanzieren.

»Hier geht es nicht um Luxus, sondern um eine Notwendigkeit. Ich lebe alleine. Ich muss doch wenigstens einkaufen oder meinen Mann auf dem Friedhof besuchen können! Ich bin sonst komplett ans Haus gebunden«, erläutert die 61-Jährige ihren Wunsch.
Doris Meier war 36 Jahre verheiratet. Viele Schicksalsschläge musste sie hinnehmen. So entkam ihr Mann bei einem Arbeitsunfall nur knapp dem Tod. Einige Jahre später benötigte er eine neue Herzklappe. Nach der Operation folgten sechs Schlaganfälle. »Mein Mann wurde zum Pflegefall. Zuletzt konnte er nichts mehr - nicht einmal sprechen«, berichtet die 61-Jährige. Sie versorgte ihn rund um die Uhr - bis zu seinem Tode im Jahre 1999. Doch die lange Pflege hatte folgenschwere Auswirkungen: »Durch das ständige Heben meines Mannes ist meine Hüfte kaputt gegangen. Ich bekam eine neue, doch dann begannen erst die wirklichen Schwierigkeiten.«
Während andere Hüftpatienten meist nach etwa sechs Wochen nach Hause dürfen, musste Doris Meier im Jahr 2000 drei Monate lang in verschiedenen Häusern behandelt werden. »Niemand wollte zugeben, dass bei der Operation etwas schief gegangen ist«, sagt die resolute Lüchtringerin.
Zu den massiven Schmerzen kam noch ein weiteres Problem: »Ich konnte plötzlich nicht mehr laufen!« Bei der Entlassung aus der Klinik wurde ihr ein Rollstuhl verschrieben, der ihr von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) genehmigt wurde. »Nach einem Unfall sind aber die Finger meiner linken Hand versteift. Ich weiß gar nicht, wie ich mit nur einer Hand den Rollstuhl vorwärts bekommen soll«, berichtet sie und demonstriert dabei, dass sie die Finger nicht bewegen kann.
Doris Meier hat nun schon mehrfach versucht, von der AOK einen elektrischen Rollstuhl zu bekommen. Doch obwohl ihre Hausärztin dies befürwortet und die 61-Jährige Inhaberin eines Schwerbehindertenausweises ist, blieben die bisherigen Anträge ohne Erfolg. Da Doris Meier von ihrer kargen Witwenrente monatlich nur 150 Euro zum Leben hat, ist ein neuer Elektro-Rollstuhl für sie nicht zu bezahlen. Daher schaffte sie sich ein gebrauchtes Gefährt an, das sie mit einem Privatkredit finanzierte. Bevor sie den zurückzahlen konnte, wurde Doris Meier im Jahr 2005 in Holzminden auf einem Zebrastreifen von einer Autofahrerin angefahren. »Der Rollstuhl hatte Totalschaden. Von der Versicherung bekam ich aber nur den Zeitwert erstattet.«
Daher hat Doris Meier nun erneut einen Antrag auf einen Elektrorollstuhl gestellt - ebenfalls ohne Erfolg. In der Begründung heißt es: »Die eingereichten Unterlagen haben wir unseren beratenden Ärzten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe zur Begutachtung vorgelegt. In seiner Stellungnahme kommt dieser zu dem Ergebnis, dass ein von Hand angetriebener Rollstuhl ausreichend ist.« Die Entscheidung wurde von der Krankenkasse anhand der vorliegenden Akten gefällt, Doris Meier wurde weder erneut untersucht noch angehört.
Gegen diesen Bescheid hat die 61-Jährige Widerspruch erhoben. Die Entscheidung dazu steht noch aus. Für Ute Lehne, Vorsitzende des Sozialverbands Deutschlands, Ortsverband Boffzen, ist das Verhalten der AOK ein Skandal. »Frau Meier ist ohne Elektro-Rollstuhl auf das häusliche Umfeld begrenzt und nicht in der Lage, ihre Grundbedürfnisse auf Bewegung und Kommunikation zu erledigen«, betont die Vorsitzende.
Die AOK hat inzwischen auf WESTFALEN-BLATT-Anfrage signalisiert, dass Doris Meier nun vom Medizinischen Dienst zu Hause aufgesucht werden soll. Dort will man sich ein genaues Bild von der 61-Jährigen verschaffen und dann entscheiden, ob ein Elektrorollstuhl bezahlt wird, oder nicht. Ein Sprecher der Krankenkasse teilte zudem mit, dass die Untersuchung nun vorgezogen werden soll.

Artikel vom 18.01.2006