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Kabarettist Becker
überraschte mit Kölsch

»Rheinischer Kapitalismus« begeisterte das Publikum

Von Cornelia Müller
Pr. Oldendorf (WB). »Wir haben Jürgen Becker . . . mehr brauche ich nicht zu erzählen«: Mit diesen Worten begrüßte Wilhelm Lindemann, Vorsitzender des Vereins Kommunikation und Kultur (KuK) Pr. Oldendorf, das Publikum in der ausverkauften Aula der Hauptschule.

Mehr brauchte er wirklich nicht zu erzählen, denn Jürgen Becker gehört seit Jahren zu den bekanntesten und beliebtesten Kabarettisten in Deutschland. Zu seinem Bekanntheitsgrad dürften nicht zuletzt die »Mitternachtsspitzen« beigetragen haben. Am Donnerstagabend präsentierte er in Pr. Oldendorf sein aktuelles Soloprogramm »Da wissen Sie mehr als ich! Das Mysterium des rheinischen Kapitalismus« - und philosophierte dabei munter über den Unterschied zwischen reinem und rheinischem Kapitalismus, zwischen George Bush und Konrad Adenauer, zwischen Protestanten und Katholiken. Amerika - das sei Kapitalismus in Reinform nach der Devise »Jeder muss selbst sehen, wo er bleibt«. Der rheinische Kapitalismus dagegen habe vor allem eines begriffen: »Man muss erst mal gar nichts.«
Kein Wunder, schließlich ist der rheinische Kapitalismus ganz und gar katholisch geprägt und sein Weltbild zutiefst mystisch: »Müsst isch jetzt eigentlich machen . . .« Oder besser: »Müsste jetzt eigentlich einer machen . . .« - macht aber keiner. Die Idee ist da, und das reicht völlig aus. Die Umsetzung macht bloß Arbeit. Da trinkt man besser gemeinsam ein Bier: »Drink doch eine met!«
Zweieinhalb Stunden lang fabulierte und kalauerte sich Becker mit viel Intelligenz und rheinischem Frohsinn quer durch die Kulturgeschichte und kam dabei von Höcksken auf Stöcksken. Das Publikum unterhielt sich prächtig dabei und ließ sich gern anstecken, wenn Becker hier und da auch einmal einen Karnevalsschlager anstimmte.
Katholisches Rheinland und protestantisches Ostwestfalen in perfekter Harmonie. Überhaupt gäbe es hier viele Parallelen, und die Pr. Oldendorfer seien weit katholischer, als man meinen könnte, stellte Jürgen Becker unter großem Gelächter fest. »Das Pr. Oldendorfer Wahrzeichen: Kein Stadtzentrum. Genau wie Remagen: Keine Brücke. Oder Bonn: Keine Regierung. Aber immerhin: Gedanklich ist das Stadtzentrum schon da. Die Idee ist da . . .«
Am Ende des Programms klatschte das Publikum so begeistert, dass noch eine letzte Zugabe in der Luft lag. Das gestand auch Jürgen Becker ein: »Jetzt müsste eigentlich einer eine Zugabe machen. Aber die Idee reicht aus. Drink doch eine met!«
SprachÕs und begann umgehend, das verdutzte Publikum mit Kölsch zu versorgen, während eine Zapfanlage für den Nachschub auf die Bühne gerollt wurde. Überzeugender und sympathischer kann man den rheinischen Kapitalismus in Ostwestfalen nicht vertreten.

Artikel vom 14.01.2006