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»Kuss-Ecke« zeigt romantische Szenen

»Lichtburg«: Quernheim ist Deutschlands kleinster Kino-Ort - Französische Sitze

Von Sandra Knefel
Quernheim (WB). Das Dorf Quernheim ist mit seinen 450 Einwohnern die kleinste Gemeinde im Landkreis Diepholz. Doch etwas macht diesen Ort besonders: Die »Lichtburg«, das Dorfkino mit 267 Plätzen, ist überregional bekannt und beliebt.

Seit mehr als 50 Jahren gibt es die »Lichtburg« in Deutschlands kleinstem Kino-Ort nun schon. Begonnen hat die Geschichte des Kinos in der Nachkriegszeit. Der 1929 erbaute Tanzsaal des Gasthauses Kleybrink-Meier wurde damals einmal wöchentlich in ein Lichtspielhaus verwandelt. Wanderspieler der so genannten »Dümmer-Landlichtspiele« bauten in der Gaststätte ihre Leinwand auf und brachten der Landbevölkerung das Kino ins Dorf.
Im Anschluss an jede dieser Vorstellungen unterhielt der heute 89-jährige Gastwirt Fritz Meier die Gäste mit seinem Akkordeonspiel. Wenn Melodien von Hans Albers erklangen, füllte sich auch die Gaststätte. Dies ist nach Einschätzung des heutigen Kinobetreibers Karl-Heinz Meier der Grund für den damaligen Erfolg des Quernheimer Kinos.
Die Landlichtspiele gastierten zwar auch in anderen Orten, nirgends waren sie jedoch so gut besucht wie in Quernheim. Die Kombination aus Kinosaal und Gastwirtschaft mit Musikprogramm lockte viele Menschen an. Da sich dieses Konzept als erfolgreich und vielversprechend erwies, wurde der Tanzsaal Weihnachten 1952 zum stationären Kino mit 450 Sitzplätzen umgebaut und erhielt den Namen »Lichtburg«. Eröffnet wurde das Kino mit dem Johannes Heesters-Film »Tanz ins Glück«. Fritz Meiers Geschäftsidee funktionierte gut. Das Dorfkino Quernheim überlebte viele der anderen Kinos in Kleinstädten der Umgebung.
1979 wurde die Lichtburg modernisiert und umgebaut. Karl-Heinz Meier schaffte für den Kinosaal französische Luxussessel an, die damals laut Meier die teuersten in ganz Europa waren. Die Sitzplatzzahl musste nun zwar auf 180 reduziert werden, jedoch können die Gäste die Filme jetzt mit einer Beinfreiheit von 1,20 Meter genießen.
In den Sommermonaten wartet ein Kinoerlebnis besonderer Art auf die Filmfreude: Unter freiem Himmel findet für bis zu 250 Besucher »Sommer-Open-Air-Kino« statt. Seit Juli 1997 werden im tannenumgebenen Park Filmklassiker und Neuheiten vorgeführt.
Um einen zweiten Kinosaal wurde die »Lichtburg« 1998 erweitert. Besonders stolz ist Karl-Heinz Meier auf die Lichtgestaltung in diesem Raum. Wer in dem dunkelblau gehaltene Saal aus einem der 87 französischen Kinosessel nach oben blickt, schaut in einen Sternenhimmel. Nach dem Vorbild von Disneys »Crest« in Los Angeles wurden mehr als 300 bewegliche Lichteinheiten in die Decke des Saals eingebaut, die mit changierenden Farben für eine besondere Atmosphäre sorgen. Selbstverständlich sind beide Kinos mit moderner Dolby-Digitaltechnik ausgestattet. Doch nicht nur die beiden gemütlich gestalteten Kinosäle mit ihren goldenen und roten Vorhängen machen das Quernheimer Kino so einzigartig. Auch Gaststätte ist liebevoll gestaltet und begeistern jeden.
Wer in die Kinosäle gelangen will, durchquert die Gaststätte und findet Nostalgie in allen Ecken. Dort steht auch die 50 Jahre alte Kinokasse mit Rundzahlbrett, neben der Theke kann eine original Wurlitzer-Musikbox bestaunt werden. Die komplette Gastwirtschaft ist bewusst im Stil der 50-er Jahre gehalten. Im Kino-Café finden die Besucher in Nischen Platz, deren Wände besondere Augenblicke der Filmgeschichte bewahren und mit Bildern von Altstars und Filmlegenden geschmückt sind. Skulpturen von Laurel & Hardy, eine Büste von Marylin Monroe, verschiedene CD-Cover und eine Schellackplatte der »Comedian Harmonists« machen die Kinonostalgie perfekt.
Auch den legendärsten Hollywood-Küssen ist ein Extraplatz gewidmet: Die »Kuss-Ecke« zeigt unvergessene romantische Szenen aus »Titanic«, »Casablanca« oder »Pretty Woman«.
Das Quernheimer Kino hat eine ganz besondere Aura. Hier geht es nicht um Funktionalität, sondern auch um Ambiente. In der Lichtburg ist ein Stück Kinogeschichte bewahrt worden, ein Teil der Atmosphäre, die damals zum Kinobesuch einfach dazu gehörte.
Karl-Heinz Meier blickt optimistisch in die Zukunft: »Unsere Einrichtung ist nach wie vor gut besucht. Da dieses Jahr besondere Highlights auf dem Programm stehen, bin ich zuversichtlich, was die Besucherzahlen 2006 betrifft«.
Einer der großen Renner wird nach Einschätzung von Meier wohl »Das Parfum« werden. Die Literaturverfilmung nach Patrick Süskind läuft in diesem Jahr in den deutschen Kinos an und wird selbstverständlich auch in Quernheim zu sehen sein.

Artikel vom 14.01.2006