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Das Wort zum Sonntag

 Von Pfarrer Christoph Ovesiek, Tengern


Vielleicht haben Sie es auch gelesen oder sogar schon am eigenen Leibe oder besser im eigenen Gesicht erlebt: Wir dürfen auf unseren Reisepassfotos nicht mehr lächeln. Neutral müssen wir schauen, damit das Gesicht nicht entstellt wird oder die Gesichtszüge durcheinander geraten, denn diese müssen elektronisch erfassbar sein. Am Flughafen zum Beispiel. Alles für die Sicherheit.
Biometrischer Ausweis nennt sich das Ganze und hat wirklich einen düsteren Hintergrund, der das Lächeln gefrieren lässt: Terrorgefahr und bedrohte Flugsicherheit.
Aber trotzdem -Ê bei allen finsteren Notwendigkeiten in einer immer irrsinnigeren Welt - etwas seltsam kommt mir das schon vor. Der Fotograf muss jetzt sagen: bitte ganz neutral und das Lächeln einstellen, statt wie früher: bitte recht freundlich und bitte lächeln.
Und die Wahrheit, die dahinter steckt, lautet: Wer lächelt, zeigt nicht sein wahres Gesicht. Oder stimmt das vielleicht sogar? Denn das gibt es ja tatsächlich, dass das Lächeln nur eine Maske ist. Gute Mine zum bösen Spiel oder gar zum bösen Plan. Auch in der Werbung wird alles kurz und klein gelächelt. So ein richtiges, echtes Lächeln oder Lachen, da sind nicht nur die elektronischen Geräte am Flughafen misstrauisch geworden. Die Bibel ist da übrigens viel vertrauensvoller. Da steht im Sprüchebuch (Spr. 15,13): »Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Angesicht.« Das ist ein wohltuendes Wort in einer modernen Welt, wo man einem freundlichen Gesicht mit Misstrauen begegnet. Eine wichtige Erinnerung daran: Eigentlich gehört es zusammen, was im Herzen eines Menschen vorgeht und was auf seinem Gesicht zu sehen ist. Und die Bibel ist dabei sehr hoffnungsfroh, was die Fröhlichkeit angeht. Vielleicht wird es Sie überraschen: In der Bibel ist sehr oft von Fröhlichkeit die Rede.
Das liegt daran, dass sie überzeugt ist, dass Fröhlichkeit einen ganz tiefen Grund hat. Gott nämlich, »der deinen Mund fröhlich macht.« So besingt es der 103. Psalm. Jetzt fragen sie vielleicht: Bedeutet das nun, dass ich immer lächelnd durch die Welt laufen soll als Christenmensch, egal was passiert. Paulus sagt da etwas ganz erstaunliches über sich selbst: Er sei ein »Trauriger, aber allezeit fröhlich« (2. Korinther 6,10). Ganz tief innen, eben. Aber doch sichtbar.
Mir kommt da ein Bild vor Augen, das sie vielleicht auch kennen. Manchmal, wenn Menschen sehr traurig sind, weil sie einen anderen Menschen verloren haben, dann huscht plötzlich mit einer dankbaren Erinnerung an gute Zeiten ein Lächeln über ein verweintes Gesicht und manchmal geschieht das auch bei der Vorstellung, dass der betrauerte Mensch jetzt bei Gott ist.
Aber man spürt: Alles ist dann ganz echt und ganz wahr: Die Trauer und die Dankbarkeit und die Hoffnung, die Tränen und das Lächeln. Das tut doch so gut: Ganz echt zeigen können, wie es mir geht. Ganz echt, und eines vor allem nicht: neutral. Das sparen wir uns auf für die Reisepassfotos.

Artikel vom 14.01.2006