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Begriff »Mogelpackung«
ist fast schon zu schwach

Neujahrskonzert: Justus Frantz produzierte sich selbst


Mit der Überschrift »Frantz: Rasanz, Glanz, Eleganz« erschien in der WV-Ausgabe vom 12. Januar 2006 die Kritik von Andrea Auffenberg über das Neujahrskonzert von Justus Frantz und der Philharmonie der Nationen. Dieser Leser schildert seine weniger begeisterten Eindrücke:
Dargeboten wurde ein Konzert, das eher folgende Überschrift verdient gehabt hätte: »Justus Franz produziert sich selbst - unter Beteiligung einiger talentierter junger Musikerinnen und Musiker«. Wer die Ankündigung dieses Konzerts und die Werbung dazu gesehen hat und sich dann, trotz der geharnischten Eintrittspreise von bis zu 54 Euro, für den Besuch dieses Konzerts entschlossen hat, hatte meines Erachtens eine eindeutige Erwartungshaltung. Er wollte einen schönen Konzertabend mit Polkas, Walzer und Märschen von Johann Strauss erleben. Diese Erwartungshaltung wurde jedoch brutal enttäuscht.
Nach einer vielsprachigen, aber deutlich zu langen Überbringung von Neujahrswünschen durch etwa 20 Orchestermitglieder wurde der musikalische Teil mit zwei Märschen von Johann Strauss von jeweils circa drei Minuten eröffnet. Die restlichen 80 Minuten des ersten Teils des Konzertes bestritt der Meister als Solist mit zwei Klavierkonzerten von Schostakowitsch und Beethoven selbst. Im Vergleich zu den Johann Strauss-Werken eine sicher sehr schwer zu verdauende Kost.
Dass sich Justus Franz mit dieser Mogelpackung »Ein Strauß voller Polkas, Walzer und Märsche« anscheinend selbst nicht ganz wohl fühlte, zeigte sein krampfhafter und meines Erachtens misslungener Versuch, verbal zwischen den Kompositionen von Strauss und Schostakowitsch und Beethoven und Strauss eine Brücke zu schlagen. Die große Zahl an leeren Plätzen nach der Pause lässt mich vermuten, dass ich nicht der einzig Enttäuschte bezüglich des Programmablaufs war. Der zweite, recht kurze Teil des Konzerts, bestand aus drei regulären Stücken und drei Zugaben, tatsächlich alles Stücke von Johann Strauss. Natürlich kann man argumentieren acht Werke von Johann Strauß und zwei Stücke von anderen Komponisten, das ist doch okay! Aber wenn die beiden Klavierkonzerte zeitlich deutlich mehr als zwei Drittel der gesamten Spielzeit einnehmen, ist meines Erachtens der Begriff »Mogelpackung« fast schon zu schwach. Wer für fünf Karten, wie in unserem Fall, 235 Euro bezahlt hat, um dann entgegen allen Ankündigungen (siehe Paderhallen-Programm den Tourneeplan von Justus Frantz laut Internet) ein Programm mit deutlich anderen Schwerpunkten zu hören, fühlt sich nicht mehr bemogelt sondern eher schon betrogen! Offensichtlich ist das Vertrauen von Frantz in seine eigene Zugkraft und die des Orchesters jedoch zu gering, um vorab das wahre Programm anzukündigen.
Ich will keinesfalls die Qualität der musikalischen Darbietungen herumkritisieren, der optische Gesamteindruck des Orchesters und der überaus laxe Umgang mit dem Notenmaterial ließen für mich jedoch die Vermutung aufkommen, dass hier eine lästige Pflichtübung zu erledigen war. Dabei schien nur im Besonderen der unvermeidliche Radetzkymarsch so verkürzt und lieblos heruntergespielt, dass ich den Eindruck hatte, sowohl Dirigent als auch Musiker wollten endlich Feierabend haben. Im übrigen konnte ich im Gegensatz zu Ihrer Rezensentin keine Begeisterung oder tosenden Applaus feststellen, es war wohl eher freundlicher Beifall des Publikums zu hören.
DIETMAR KARTHAUS
Bodelschwinghstraße 14
Büren

Artikel vom 03.02.2006