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»Was hier abläuft, ist Panikmache«

Züchter Rudolf Kühlmann aus Westerwiehe hat Angst vor erneuter Aufstallpflicht

Von Meike Oblau
Rietberg-Westerwiehe (WB). »Wenn in Deutschland eine neue Aufstallpflicht für Geflügel angeordnet wird, dann ist das für unsere Region eine Katastrophe.» Rudolf Kühlmann, Geflügelhalter und Ortsvorsteher des »Hühnerdorfs« Westerwiehe, hat Angst vor neuen Auflagen. Die Vogelgrippe ist in der Türkei angelangt, es gilt als wahrscheinlich, dass bald eine erneute Stallpflicht für Geflügel angeordnet wird.

»Schon bei der ersten Verordnung, als wir von Mitte Oktober bis zum 16. Dezember unsere Tiere im Stall lassen mussten, ging der Schaden für manchen Unternehmer in die hunderttausende«, weiß Kühlmann, der mit anderen Interessenvertretern eine Gruppe gebildet und auch schon im Bundeslandwirtschaftsministerium in Bonn vorgesprochen hat. »Wenn die Vogelgrippe hier in der Region ausbricht, dann habe ich gegen diese Vorsichtsmaßnahmen überhaupt nichts einzuwenden. Aber hier ist doch nichts. Das ist alles Panikmache«, versteht der Westerwieher die Aufregung nicht. Nicht einmal in der Türkei, wo bereits Menschen an der Vogelgrippe gestorben sind, herrsche eine Stallpflicht. »Die Gefahr, dass die Vogelgrippe über Zugvögel eingeschleppt wird, wird von allen Forschern als gering eingeschätzt. Sie warnen vielmehr vor der Einschleppung durch illegalen Import. Also muss man doch den Hebel eher dort ansetzen«, findet Kühlmann. Schon im Herbst war die Aufstallpflicht ein Problem, jetzt im nahenden Frühjahr aber stehen die Geflügelzüchter vor einem noch viel größeren Drama: »Das geht an die Nerven, wir wissen doch gar nicht mehr, was wir machen sollen. Normalerweise würden wir unsere Tiere in der kommenden Woche anfüttern und impfen lassen, Ende Februar fangen unsere Gänse an zu legen, dann werden die Tiere aufgezogen und ab April verkauft. Wenn aber die Aufstallpflicht kommt, dann ist keine Gans und auch kein anderes Geflügel mehr zu verkaufen. Dann bricht der Markt ein wie damals der Rindermarkt bei BSE.« Die Regelungen, die hier teilweise angeordnet werden, stehen in keinem Verhältnis zur Realität«, findet er. »Von Mensch zu Mensch ist das Virus bisher gar nicht übertragbar. Und die Menschen, die sich bisher bei Tieren angesteckt haben, leben doch in ganz anderen Verhältnissen. Da leben die Tiere quasi mit im Schlafzimmer«, sagt Kühlmann. Die Panik in der Bevölkerung sei dementsprechend groß: »Ich hatte für meine Gänse im Herbst eine Ausnahmegenehmigung und durfte sie trotz Aufstallpflicht draußen halten. Reihenweise habe ich böse anonyme Anrufe gekriegt«, erinnert er sich. In Rietberg und Delbrück hingen Schätzungen zufolge 500 bis 800 Arbeitsplätze an der Geflügelzucht, betont Kühlmann: »Aus unserer Region werden Tiere bundesweit, von Rügen bis Bayern, verkauft.«
»Die erneute Aufstallungspflicht wird kommen. Wir wissen nur nicht, wann«, ist sich Carola Adenauer, Pressesprecherin des Kreises Gütersloh, sicher. In der Kreisverwaltung bereiten sich die Mitarbeiter auch darauf vor, was zu tun ist, falls die Vogelgrippe tatsächlich den Kreis Gütersloh erreichen sollte. »Dieses Notfallszenario wird trainiert«, so Adenauer. Im Ernstfall sei der Kreis innerhalb einer halben Stunde in der Lage, eine Bürgerhotline aufzubauen. Zudem seien bereits Internetseiten mit allen wichtigen Informationen vorbereitet worden, die im Ernstfall nur frei geschaltet werden müssen.

Artikel vom 13.01.2006