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Gemälde für den Kaiser

Matern und Wäschle: Architekten in der dritten Generation

Paderborn (WV). Weltliche und kirchliche Bauten tragen ihre Handschrift und selbst ein Kaiser ließ sich von der Kunst des Gründers inspirieren. In nunmehr dritter Generation begeht das Paderborner Architekturbüro Matern - heute Matern und Wäschle - das 90-jährige Bestehen. Gegründet wurde das Büro von Kurt Matern sen., der 1915 die Stelle des Diözesanbaumeisters in Paderborn antrat und daneben freiberuflich ein Architekturbüro mit Sitz an der Husener Straße 53 leitete.

Geboren wird der Wahl-Paderborner 1884 in Rössel, Ostpreußen. Als jüngstes von zehn Kindern studiert er an den technischen Hochschulen in Danzig und Karlsruhe. Aber nicht nur die Architektur reizt ihn, sondern auch die Malerei. Während seines Studiums und auch später fertigt Matern für Kaiser Wilhelm II. auf dessen ostpreußischem Gut Cadinen Gemälde vom Leben der Landarbeit und der lokalen handwerklichen Betriebe. Nach dem Staatsexamen arbeitet er als »Königlicher Regierungsbeauftragter«, nach der 2. Staatsprüfung wird Kurt Matern zum Regierungsbaumeister befördert, wird Diözesanbaumeisters in Paderborn und Dombaumeister.
Zu seinen wichtigsten Projekten gehören die Erweiterung der Ahrweiler Klosteranlage auf dem Kalvarienberge, das Priesterseminar in Braunsberg, Ostpreußen, das Erzbischöfliche Priesterseminar Paderborn, das PESAG-Verwaltungsgebäude Paderborn und die große Restaurierung des Domes 1915 bis 1926.
In zweiter Generation übernimmt Johannes Kurt Matern 1953 das Büro. Schon früh teilt er mit seinem Vater das Interesse für Kunst und Architektur. Johannes Kurt Matern, das jüngste von drei Kindern, wird zunächst jedoch 1941 mit 17 Jahren zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Krieg absolviert er ein Praktikum als Technischer Zeichner beim Staatshochbauamt Paderborn und von 1948 bis 1952 studiert Kurt Matern jun. an der technischen Hochschule in Karlsruhe Architektur bei Egon Eiermann, einem der bekanntesten Nachkriegsarchitekten der Moderne. Im Jahre 1953 übernimmt er das väterliche Büro in Paderborn mit Sitz an der Schorlemerstraße. Seine Tätigkeit in Paderborn und Umgebung ist geprägt durch zahlreiche Wohnungsbauten, Bauten für die Industrie und Geschäftshäusern.
Seit 1990 führt nun in der dritter Generation seine Tochter Eva Matern das Büro mit neuem Sitz an der Grünebaumstraße, Ecke Husenerstraße. Eva Matern studiert an der TH in Braunschweig und arbeitet nach dem Diplom in Köln in dem renommierten Büro Prof. Kraemer, Sieverts und Partner in der Wettbewerbsabteilung, die sie nach einem halben Jahr leiten darf. Nach gut zwei Jahren eröffnet sie in Köln ein eigenes Büro und übernimmt zur gleichen Zeit das Büro ihres Vaters.
1995 heiratet Eva Matern den Architekten Martin Wäschle, einen gebürtigen Freiburger, der in Karlsruhe und Lausanne/Schweiz studierte. Danach arbeitet er als Projektarchitekt bei Norman Foster in London.
Seit 1996 arbeiten Matern und Wäschle gemeinsam im Paderborner Büro. Zu ihren wichtigsten Bauten gehören die Rathauspassage, der Firmensitz ORGA, das IHK-Gebäude, die Sanierung der Kreishausfassade und der Schlossburg Dornberg sowie der Neubau einer Volkshochschule bei Frankfurt (Wettbewerbsgewinn) und das Bürogebäude der Firma dSPACE an der Rathenaustraße, das Anfang nächsten Jahres bezugsfertig ist.
Das Büro nimmt regelmäßig an Wettbewerben und Gutachten teil und gewinnt 2005 den Neubau einer Firmenzentrale der Firma HBPO, einer Hellatochter in Lippstadt und den europaoffenen Wettbewerb für das Mafinex Technologiezentrum in Mannheim.
Martin Wäschle: »Für diesen Wettbewerb waren fünf international bekannte Büros gesetzt, aus 300 zusätzlichen Bewerbern wurden 20 herausgefiltert die die Aufgabe bearbeiten durften - darunter wir. Hier einen ersten Preis zu erringen und uns und Paderborn in dieser âGesellschaftĂ• zu repräsentieren ist wichtig für die Fortentwicklung unserer Bürostruktur.«
»Insgesamt haben wir es, seit es das europäische Vergaberecht gibt, schwer, gegen die großen Architekturbüros mit oft mehr als 100 angestellten Architekten und dementsprechenden Projekten anzukommen«, stellt Eva Matern fest. »Selbst die bloße Teilnahme an einem Wettbewerb ist heute oft durch merkwürdige Vergaberaster und Auswahlkriterien verstellt.« Dies schade nicht nur den mittelgroßen bis kleineren Büros sondern macht es Berufsanfängern immer schwerer in die Selbstständigkeit zu kommen.
»Ganzheitlichkeit charakterisiert unsere Architektur. Funktionalität, Wirtschaftlichkeit sowie Nachhaltigkeit sind für uns selbstverständlich und stellen die Essentials unserer Arbeit dar«, fasst das Architektenehepaar Anspruch und Herausforderung ihres Berufes zusammen. »Die Sehnsüchte der Menschen aufzugreifen und dabei den wirtschaftlichen Rahmen nicht zu sprengen, macht den Architekten unersetzlich.«

Artikel vom 12.01.2006