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Viele grüne Adern eine
Zierde für die Region

Land startet Initiative für neue Alleen - Kreis skeptisch

Von Michael Robrecht
Brakel (WB). Fast nirgendwo in Ostwestfalen findet der Naturfreund so viele Parks, Landschaftsgärten und Alleen wie im Kreis Höxter. Auch wenn es Straßenalleebäume - wie vielfach in den neuen Bundesländern erhalten - hier kaum noch gibt, existieren dennoch viele Alleen abseits der Hauptverkehrswege als Zufahrten zu Schlössern, Klöstern oder Altstädten. Das Land NRW hat jetzt eine »100-Alleen-Initiative« gestartet und alle Kreise aufgerufen, neue Standorte für Alleen zu benennen.

Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers und NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg haben auf dem Gelände Zeche Zollverein in Essen zum Auftakt der Allee-Pfanzaktion die ersten Goldrobinien gepflanzt. »Alleen und Straßen bilden in vielen Regionen Nordrhein-Westfalens eine Einheit. Sie prägen ganz wesentlich das Landschaftsbild in unserem schönen Land«, sagte der Ministerpräsident. Er hob hervor, dass Alleen nicht nur einen kulturhistorischen und ästhetischen Wert haben, den es zu erhalten gilt, sondern auch vielfältige ökologische Funktionen.
Der Kreis Höxter hält sich in Sachen Alleen-Projekt erst einmal zurück: »Nicht nur weil die vielen vorhandenen Alleen schon Aufwand genug bedeuten, sondern auch weil das Land über die Kosten und die Unterhaltung danach keine Aussage getroffen hat«, sagte gestern Kreisdirektor Dr. Ulrich Conradi gegenüber dem WESTFALEN-BLATT. Erst wenn das Land die Zuschussfrage konkretisiere, könne man über neue Alleen im Kreis nachdenken. Zudem sind laut neuem Landschaftsschutzgesetz die bestehenden Baumalleen generell alle unter Schutz zu stellen. Der Kreis Höxter, so Conradi, habe hier an das Land appelliert, die generelle Unterschutzstellung aufzugeben und nach Qualität und Einzelfall zu schützen. »Dann muss noch geklärt werden, was denn eigentlich eine Allee im Sinne des Gesetzes ist«, so der Kreisdirektor. Schwierig sei es auch, neue Alleen an den Bundes- und Landstraßen zu pflanzen, weil hier ein zehn Meter großer Abstand Straße-Baum per Gesetz vorgeschrieben worden sei.
Hintergrund für den Landes-vorstoß für neue Baumreihen: »Alleen sollen auch in einigen Regionen von Nordrhein-Westfalen zum touristischen Markenzeichen werden, dass es möglich sein wird, dass die deutsche Alleenstraße, die es seit den 90-er Jahren gibt und die von Rügen durch die östlichen Bundesländer über Hessen, Baden-Württemberg zum Bodensee führt, zukünftig auch einen Abstecher nach NRW macht«, erklärte Umweltminister Eckhard Uhlenberg, der als ehemaliger Schüler der Landvolkshochschule Hardehausen die Alleenvielfalt im Kreis Höxter besonders gut kennt.
Die Landesregierung hat in der Koalitionsvereinbarung beschlossen habe, den Alleenbestand in NRW nicht nur zu erhalten und zu pflegen, sondern weiter auszubauen, wobei sämtliche Aspekte berücksichtigt werden, die für die Verkehrssicherheit relevant sind. Wie grüne Adern ziehen sich Alleen durch die Kulturlandschaft Deutschlands. Gerade in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegenden vernetzen Alleen wertvolle natürliche Lebensräume und sind selbst Nistplatz, Rastplatz und Nahrungsspender für viele Tiere. Kreisarchivar Horst D. Krus aus Bellersen beschreibt in seinem »Gärten«-Buch die Alleen im Kreis Höxter, so in Bökendorf: »Die Schlossachse wurde durch eine Allee betont, die auf die Vorderfront zulief und sich hinter dem Garten bis weit in den Wald, den Lämmerkamp, fortsetzte.« Als Dichterin Annette von Droste-Hülshoff dort »ans Häuschen singen« ging, spazierte sie durch eine Fichtenallee, heute zieren Laubbäume die Allee in der Nähe des bekannten Laubengangs.
Im Westen Deutschlands mussten die meisten Alleen von 1949 bis 1990 auf knapp 50 000 Kilometern Straßennetz den breiteren Fahrbahnen weichen. Ein großer Teil der Alleebäume wurde rigoros abgeholzt. In den neuen Bundesländern sind viele Alleen erhalten.

Artikel vom 12.01.2006