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Ärzte machen mobil: Praxen
am Mittwoch geschlossen

Protestaktion gegen Unterfinanzierung der Leistungen

Bünde/Rödinghausen/Kirchlengern (BZ/grot). Die im Ärztenetz »MuM« (Medizin und Mehr) organisierten Ärzte in Bünde, Kirchlengern und Rödinghausen beteiligen sich aktiv an den bundesweiten Ärzteprotesten. Sie werden ihre Praxen am kommenden Mittwoch, 18. Januar, geschlossen halten.

»Die Knebelung der niedergelassenen Ärzte mit immer mehr Einschränkungen, Prüfungen und Strafzahlungen für vermeintlich unwirtschaftliche Verordnungen hat ein unerträgliches Maß erreicht«, macht Dr. Heinz-Georg Beneke, Leiter des Bünder Ärztenetzes MuM, seinem Ärger stellvertretend für alle Berufskollegen Luft.
Hauptkritikpunkt der Ärzte ist die zunehmende Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung. Die enge Budgetierung der Arzneimittelausgaben lasse immer mehr Ärztinnen und Ärzte »in die Ethikfalle laufen«. Rationierung sei an der Tagesordnung, die Qualität der Arzneimitteltherapie sinke. Wer seine Patienten noch optimal versorgen möchte, gehe schnell das existenzgefährdende Risiko eines finanziellen Regresses ein. Diese Strafen können leicht fünfstellige Eurobeträge erreichen.
»Ein Hausarzt darf im Quartal durchschnittlich für 43 Euro pro Versicherten Medikamente verschreiben«, erläutert Dr. Beneke den Druck auf die Kollegen. »Hat er - was keine Seltenheit ist - einen Patienten, dessen Versorgung 430 Euro kostet, darf er zum Ausgleich zehn anderen Patienten nichts mehr verschreiben!« Ein neues Kostendämpfungsgesetz solle in diesem Jahr den Druck noch weiter erhöhen.
Zwölf Jahre gesetzlich verordnetes Honorarbudget mit nur minimalen Steigerungen pro Jahr und ohne Anpassung an den medizinischen Fortschritt und die älter werdende Bevölkerung hätten schließlich dazu geführt, dass heute rund 30 Prozent der von den Ärztinnen und Ärzten in Westfalen-Lippe erbrachten und abgerechneten Leistungen nicht mehr bezahlt werden können. Das ambulante Versorgungssystem werde von den niedergelassenen Ärzten bereits über lange Zeit subventioniert.
Besonders die bürokratischen Schikanen setzen Ärzte immer mehr unter Druck. Und das hat das Fass jetzt zum Überlaufen gebracht: »Dokumentationen für jeden Handgriff, für unterschiedliche Hausarztverträge, immer mehr Nachfragen der Krankenkassen, neue Einzelverträge mit Bedingungen, die bei jeder Krankenkasse anders sind - all das raubt Zeit und Nerven, die wir dringend für unsere ärztliche Arbeit und unsere Patienten bräuchten«, beschreiben die Bünder Ärzte den »täglichen Bürokratiewahn«. Die deutschen Arztpraxen sind zu ministeriellen Amtsstuben geworden, in denen die Patienten zunehmend verwaltet werden müssen«.
Zahlreiche niedergelassene Ärzte aus Bünde und Umgebung werden gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen an der zentralen Kundgebung in Berlin teilnehmen. Gleichzeitig stehen im Forum-Gebäude am Bünder Stadtgarten Ansprechpartner für interessierte Patienten bereit.
Die Versorgung medizinischer Notfälle ist über die Zentrale Notfallpraxis am Mittwoch gesichert, sie öffnet an diesem Tag bereits um 8 Uhr.
Patienten, die langfristig Termine für den Mittwoch vereinbart hätten, würden nach seinem Kenntnisstand von den Kollegen auch behandelt, sagte Beneke gestern auf Anfrage. Auch mit dem Lukas-Krankenhaus sei die Aktion abgesprochen worden. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung sei auf jeden Fall gewährleistet.

Artikel vom 12.01.2006