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»Ajax-Schule«
das Vorbild

Luhukay setzt auf Nachwuchs

Von Matthias Reichstein
Costa Ballena (WV). Fünf Eigengewächse im Trainingslager eines Fußball-Zweitligisten - diese Quote nennt auch Jos Luhukay »außergewöhnlich«. Das unter seiner Leitung vier Spieler den Sprung in die 2. Liga geschafft haben, ist noch überraschender. Lob lehnt der Trainer Luhukay dennoch ab: »Die Anerkennung müssen meine Kollegen im Unterbau bekommen.«

Wenn es nach den Vorstellungen des Cheftrainers geht, muss der in den kommenden Jahren aber komplett umgebaut und professionalisiert werden. Nicht, weil die Deutsche Fußball Liga (DFL) ohnehin ein Jugend-Leistungszentrum vorschreibt, sondern weil der Holländer genau hier auch langfristig die Zukunftschancen des SC Paderborn 07 sieht. Neue Strukturen, eine veränderte Philosophie, neue Konzepte und ein klares System - diese Schlagworte sollen schon bald mit Leben erfüllt werden.
So stellt sich Luhukay zum Beispiel vor, dass alle Mannschaften, von den F-Junioren bis zum Bundesligateam, das gleiche System spielen. »Die Bausteine liegen ganz unten, bei den Kleinsten. Je konsequenter wir dort mit der Arbeit beginnen, desto einfacher wird es später, die Linie bei den A-Junioren oder der Reserve fortzusetzen.« Ziel soll dabei aber nicht sein, möglichst viele Titel und Trophäen zu sammeln: Erst bei den B-Junioren würde Luhukay mit dem erfolgsorientierten Arbeiten beginnen. Davor sollen sich die Spieler mit Spaß am Fußball nur weiterentwickeln, ein Blick auf die Tabelle wäre für die Trainer in diesen Jahrgängen deshalb ein Tabu. Die Ausbildung stünde über allem.
Ganz weit ist die Entwicklung in den Niederlanden voran gegangen. Die so genannte »Ajax-Schule« ist dabei nur ein Begriff, klare Konzepte verfolgt im Nachbarland aber schon der kleinste Profiklub. So ist es dort zum Beispiel üblich, dass bereits die Spielführer der F-Junioren eigenverantwortlich das Aufwärmprogramm leiten und schon die Jüngsten das Spielsystem verinnerlichen, welches die Profis vorgeben.
Da Cheftrainer in der Bundesliga meist nur leitende Angestellte auf Zeit sind, schwebt Luhukay vor, dass ein hauptamlicher Jugendgeschäftsführer die nötigen Umstrukturierungen einleitet, vorantreibt und überwacht. Denn eins ist dem 42-Jährigen auch klar: Die Verwirklichung dauert Jahre.
Von den Ergebnissen würden später aber alle profitieren: Der Verein, der so vielleicht pro Jahr einen Spieler aus dem eigenen Nachwuchsbereich in den Profikader integrieren könnte. Die Spieler, weil sich schnell herumsprechen würde, wie groß die Chancen gerade beim SC Paderborn sind, den Sprung in die zweite Liga zu schaffen. Und nicht zuletzt auch die Zuschauer. Denn die Identifikation mit den Eigengewächsen ist naturgemäß immer deutlich höher.
Allerdings: Nur mit Nachwuchsförderung geht auch nichts, am Ende muss es die richtige Mischung machen. Was wäre ein SCP mit Lukas Kruse im Tor, Stephan Maaß, Thorsten Becker oder Daniel Brinkmann im Mittelfeld, aber ohne Garry de Graef, Marcel Ndjeng oder René Müller? Ein Abstiegskandidat.
Dennoch: Kruse, Becker oder Maaß haben es geschafft, Sven Krause, Benjamin Braune, Oliver Brocke, Edmund Riemer oder Adrian Jevric den weiten Weg noch vor sich. Und der ist für sie noch schwerer. Konnten Maaß oder Becker die Karriereleiter noch Schritt für Schritt von der Ober- über die Regional- bis in die Bundesliga hochklettern, müssen ihre »Nachfolger« den Sprung von der Verbandsliga in die zweite Liga schaffen. Dem Allrounder Daniel Brinkmann ist der in dieser Saison geglückt, alle anderen müssen viel Geduld mitbringen und haben es vielleicht in der kommenden Saison noch schwerer. Denn sollte die Reserve im Sommer in die Landesliga absteigen, wäre die Bundesliga für sie soweit entfernt, wie die Erde vom Mond.

Artikel vom 12.01.2006