11.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Sorge, aber keine Angst«

Wegbrechen der Grundsteuer B wäre für Lübbecke ein Disaster

Von Erwin Eisfeld
Lübbecke (WB). Eine Flut von Anträgen auf Aufhebung der Einheitswertbescheide für Wohngebäude überschwemmt seit Tagen den Posteingang von Finanzamt und Stadtverwaltung Lübbecke. Würde ihrem Anliegen stattgegeben, käme die Stadt Lübbecke in dramatische Finanznöte: mehr als zwei Millionen Euro Steuereinnahmen würden »wegbrechen«.

Soweit wird es aber nicht kommen, ist Lübbeckes Bürgermeisterin Susanne Lindemann optimistisch. Ihre Hoffnung stützt sich auf eine Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes, der die Erfolgsaussichten der Bürgereinsprüche als gering einstuft. Zu einer ähnlich lautenden Bewertung kommen auch die Finanzbehörden, wie Finanzamtchefin Irina Peters-Schwiete gestern gegenüber der LÜBBECKER KREISZEITUNG betonte.
Grund für die Antragsflut ist eine seit dem 1. August 2005 beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerde zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer bei selbstgenutztem Wohneigentum (wir berichteten in unserer Ausgabe vom 9. Januar). Viele Wohneigentümer erhoffen sich davon eine Steuerersparnis.
Worüber die Steuerzahler jubeln würden, würde die Städte und Gemeinden in ein Tal der Tränen stürzen. »Die Stadt Lübbecke hat im verganenen Jahr 2,8 Millionen Euro Grundsteuer B eingenommen, 2006 werden es voraussichtlich 2,9 Millionen Euro sein«, so Bürgermeisterin Susanne Lindemann auf Anfrage der LÜBBECKER KREISZEITUNG. Würde das Bundesverfassungsgericht dahingehend entscheiden, dass die für die Berechnung der Grundsteuer B zu Grunde liegenden Einheitswerte verfassungswidrig sein sollten, drohten allein der Stadt Lübbecke Millionenverluste. »Wir könnten dann die Grundsteuer B nicht mehr wie bisher erheben und müssten wohl auch für Jahre zurückerstatten«, so die Bürgermeisterin. Das Finanzloch in der Stadtkasse sei dann nicht mehr zu stopfen, die Stadt müsste ins Haushaltssicherungskonzept. Und das wäre der schlimmste aller Fälle: die Stadt könnte dann nicht mehr selbst über Ausgaben entscheiden. Sämtliche freiwilligen Leistungen kämen unbarmherzig auf den Prüfstand - Bäder, kulturelle Einrichtungen und Sporthallen wären in ihrer Existenz massiv bedroht. Statistisch gesehen, ist jeder Lübbecker mit 111,56 Euro an der Grundsteuer B beteiligt. In Wirklichkeit erhalten aber nur Grundeigentümer einen Steuerbescheid. 10 000 Bescheide werden jährlich verschickt. Der darin in Rechnung gestellte Betrag für die Grundsteuer B errechnet sich wie folgt: das Finanzamt ermittelt aus dem Einheitswert (Hausgröße, Alter) den Bemessungsbetrag. Dieser wird der Stadt mitgeteilt, die ihn mit dem städtischen Steuerhebesatz (zurzeit 381 Prozent) multipliziert und dem Wohneigentümer jährlich als Grundbesitzabgabe in Rechnung stellt.
Das jetzt in Gang gesetzte Antragsverfahren der Verfassungsmäßigkeit bezieht sich allerdings nur auf selbst genutztes Wohneigentum. Gewerbliche Nutzung (z.B. Vermietung) ist darin nicht vorgesehen - obwohl im städtischen Steuerbescheid ebenfalls berücksichtigt: »wir wissen doch gar nicht, wer selbst nutzt oder vermietet«, so die Bürgermeisterin.

Artikel vom 11.01.2006