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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (154. Folge): Als am Domplatz geboxt wurde


Wir hatten nach dem Liborimahl 1972 eine fröhliche private Runde an der Bahnhofstraße. Dr. Eduard Ackermann, Pressesprecher der CDU/CSU-Bundesfraktion und nach 1982 Intimus von Bundeskanzler Helmut Kohl, gehörte dazu. Weit nach Mitternacht verließ er den lustigen Kreis, um ins Hotel Paderborner Hof am Westerntor zu gelangen.
Das fand der stark kurzsichtige Gast aus Bonn nicht auf Anhieb wieder. Deshalb machte er sich auf den Weg zum Bahnhof, wo die Taxis stehen. »Zum Paderborner Hof«, orderte er beim erstaunten Fahrer. Der brachte ihn übers Westerntor in die Westernstraße 42. Ganze 150 Meter von den fröhlichen Zechern gegenüber der Herz-Jesu-Kirche entfernt!
Fortsetzung der Kolumne in der Vorwoche über das Hotel- und Gaststättenverzeichnis aus dem Jahre 1955. Die größten Hotels in der Paderstadt: »Westfälischer Hof« in der Westernstraße mit 44 Betten, gefolgt von Hotel Haase am Turnplatz (33), Hotel Krawinkel am Karlsplatz (32), Hotel Tudyka, heute »Stadthaus« (20), und Deutsches Haus in der Kisau (Mlyneck) mit immerhin zehn Betten.
Das »Unterkunfts- und Gaststättenverzeichnis« der Stadt wurde seinerzeit herausgegeben vom Verkehrsverein. Geschäftsführer Hubert Schilling, Joseph Dominicus (künstlerische Gestaltung) und Dr. Rudolf Kiepke (Text) waren die Verantwortlichen dieses Stadtprospektes mit illustriertem Text aus der Geschichte der »Bischofs-, Kaiser- und Hansestadt«, Paderborner Farb-Postkarten und dem gastronomischen Angebot. In dieser Schrift wurde mit Blick auf das gerade ansprechend gestaltete Paderquellgebiet erstmals die »Stadt der Quellwunder« hervorgehoben.
Wer erinnert sich noch an die Ükernschenke Canisius (Heiersstraße), an Maria Kiene an der Warmen Pader, an Bernhard Bolzau in der Kisau, an Josef Hester (neben dem Capitol), Heinrich Große-Perdekamp (Bahnhofs-Restaurant mit »guter Stube«), Franz Striewe im »Ratsglöckchen« Schildern, Franz Tölle, Am Bogen, oder »Schorri« Scheid, Marienstraße?
Wenn in diesen oder anderen Gastwirtschaften unter den Gästen Wetten abgeschlossen wurden, mussten die Leute von der Zeitung oft Schiedsrichter spielen. Das war immer dann besonders ärgerlich, wenn um Mitternacht das private Telefon läutete. »Wie alt ist der Erzbischof?« »Wann war Bundespräsident Lübke in Paderborn?«, »Wer hat in einer Rede im Paderborner Rathaus gesagt: Bei Ihnen hier in Soest?«, »Wann fängt Libori an?«, »Lebte Sertürner in Paderborn oder Neuhaus?« oder »Gab es am Dom öffentliche Boxkämpfe?«, wurde gefragt.
Ja, schon recht früh wurde nach Kriegsende in Lönnigs Garten am Kleinen Domplatz ein Boxring aufgestellt. Später waren die Kämpfe im Kolpinghaus und Residenztheater. Flüter, Bauersfeld, Röhren, Koch und Wille hießen die lokalen Größen im Faustkampf. Stolz des Wirtes Karl Lönnig war ein Metallmodell des Paderborner Domes mit hohem Turm am Eingang zum Garten, wo »bierähnliche Getränke« verkauft wurden. Das Symbol wanderte mit zur »Domschenke«, Grube 14 und später an die Hathumarstraße. Ein Paderborner Kunstschmied besitzt heute das gute Stück.
An Wochenenden zog es die Paderborner in die Ausflugslokale am Stadtrand. Natürlich zu Fuß. Oder mit dem Kinderwagen. Das waren die Fischteiche (Karl Müller), der Haxtergrund (Franz Weyher) Eulenbrock an der Driburger Straße, Hillemeyer an der Salzkottener Straße (Fritz Jürgensmeyer), und der Schützenplatz (Hans Bischof).
Im Mastbruch konnte unweit der Wasserwerke am Diebesweg an einem Sonntag vor 40 Jahre keine Milch angeboten werden. Begründung: »Unsere Kühe sind jüste!« Was soviel heißt wie »Sie geben zur Zeit keine Milch«. Georg Vockel

Artikel vom 11.01.2006